Von wegen ”Easy Pay” Kassenprobleme an Tankstellen und Schadensersatzpflicht der Mineralölunternehmen

Jeder Tankkunde kennt das Problem: Der Kartenterminal an der Tankstellenkasse zeigt bei sämtlichen vorgelegten Karten einen vermeintlichen „Kartenfehler“ an, schließlich muss das Kassenpersonal die Kartennummer manuell eingeben, damit die Zahlung erfolgen kann. Was dem Tankkunden ein Ärgernis ist und unnötig Zeit kostet, kann für den Tankstellenbetreiber zum wirtschaftlichen Problem werden:

 

Die Kassensysteme der Mineralölgesellschaften werden technisch immer komplexer und damit auch anfälliger für Softwarefehler mit mitunter verheerenden Folgen. Die Tankstellenbetreiber sind Handelsvertreter der Mineralölunternehmen. Diese sind über eine Datenfernübertragung an die Kassensysteme angeschlossen und dadurch in Echtzeit über jeden Umsatz informiert. Im Wege der Datenfernübertragung stellen die Unternehmen auch die Kraftstoffpreise an den Stationen ein, werden die Pegelstände übermittelt und Kraftstofflieferungen ausgelöst. SHELL geht noch weiter und automatisiert sogar den Bargeldverkehr, der Kunde erhält sein Restgeld nicht mehr aus der Hand des Kassierers, sondern direkt aus der automatisierten Kasse.

Keine Software ist fehlerfrei. Das breitere Einsatzspektrum der Kassensysteme führt deshalb zu ständigen Updates, die oft zwar einen Fehler beheben, dabei jedoch zwei andere Bugs (Softwarefehler) auslösen. Solche Fehler oder auch nur die Netzbelastung durch den Umfang des übertragenen Datenvolumens führen zu häufigen Ausfällen der Kartenlesegeräte, bei vielen Betreibern regelmäßig aber auch zu Kassentotalausfällen, teilweise über mehrere Stunden. Die durch einen Komplettstillstand der Tankstelle entstehenden Umsatz- und Provisionsverluste sind enorm.

Viele Tankstelleninhaber und Verwalter  kennen offenbar ihre Rechte nicht, denn erstaunlich wenige Betroffene setzen die ihnen infolge von Kassenfehlern zustehenden Schadensersatzansprüche gegen die Mineralölgesellschaften durch. Das liegt zum  sicherlich auch daran, dass die zuständigen Bezirksleiter der Unternehmen solche Kassenfehler behandeln wie Fälle „höherer Gewalt“, für die das Unternehmen nicht haftet. Tatsächlich ist der Ausfall des Kassensystems jedoch eine Vertragsverletzung des Unternehmens und besteht ein Schadensersatzanspruch des Verwalters/Betreibers.

Die Mineralölgesellschaften sind gesetzlich verpflichtet, ihren Handelsvertretern sämtliche zur Ausübung der Handelsvertretertätigkeit erforderlichen „Unterlagen“ zur Verfügung zu stellen. Der Begriff der Unterlagen ist weit zu verstehen und umfasst alles, was dem Handelsvertreter zur Ausübung seiner Vermittlungs- und Abschlusstätigkeit dient.

Es entspricht allgemeiner Meinung und ständiger Rechtsprechung, dass hierzu auch Softwareprogramme gehören, sofern diese zur Durchführung und Abrechnung der Agenturtätigkeiten notwendig sind. Die Tankstellenverwalter sind vertraglich zur Einrichtung der Kassensysteme nach Maßgabe der Unternehmensrichtlinien und Nutzung der dazugehörigen Software verpflichtet, die Software ist zwingende Voraussetzung für eine funktionierende Datenfernübertragung zwischen Tankstelle und Unternehmenszentrale und für das Inkasso der Agenturgelder. An der Erforderlichkeit der Software für die Durchführung des Kraftstoffverkaufs besteht daher kein Zweifel. Das Unternehmen hat deshalb einerseits für die fehlerfreie Funktion der Software Sorge zu tragen und bei Softwarefehlern Schadensersatz zu leisten.

Aus der „Erforderlichkeit“ der Software für das Agenturinkasso folgt ferner, dass das Unternehmen die Kassensoftware kostenlos zur Verfügung stellen muss. Der Tankstellenbetreiber hat also einen Anspruch auf Übernahme bzw. Erstattung sämtlicher in Verbindung mit der Software und dem Kassensystem entstehenden Kosten. Aus dem Leitbild des Handelsvertreters als selbstständiger Vermittler von Geschäften folgt, dass er nicht an den Kosten des Unternehmers beteiligt werden darf. Die von Betreibern oft verlangten „Kassenmieten“ sind mit diesem gesetzlichen Leitbild nicht vereinbar; die entsprechenden Vertragsklauseln sind als unangemessene Benachteiligung des Handelsvertreters unwirksam.

Fazit:

  1. Die Mineralölgesellschaften müssen Tankstellenbetreibern sämtliche Schäden ersetzen, die infolge von Softwarefehlern und Kassenausfällen entstehen.
  2. Die in vielen Verwalterverträgen enthaltene Verpflichtung zur Zahlung einer „Kassenpacht“ verstößt gegen zwingendes Recht und ist deshalb unwirksam.

Ansprechpartner:
Dr. Kay Wagner

Stand: Februar 2013