AGB Kontrolle der Einräumung von Nutzungsrechten

Das Hanseatische Oberlandesgericht hat in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (5 U113/09 U. vom 01.06.2011) eine Entscheidung getroffen, die, sofern sie Bestand haben sollte, weitreichende folgen für die gegenwärtige Rechtspraxis hätte. Rechteeinräumungen in vorformulierten Verträgen, so wie sie in der Medien- und Softwarebranche üblich sind, wären nur noch begrenzt wirksam.

Entschieden wurde im Wesentlichen:

  • die Zweckübertragungsregel (§ 31 Abs. 5 UrhG) soll Maßstab einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB sein;
  • eine unüberschaubare Nutzungsrechtsübertragung gegen eine pauschale Vergütung soll in AGBs nicht zulässig sein;
  • die Rechteeinräumung in den AGBs soll auch unwirksam sein, wenn die sich übertragenen Nutzungsrechten von dem eigentlichen Vertragszweck entfernen (selbst bei ausdrücklicher Bezeichnung der Rechte);
  • auf das Recht auf Anerkennung der Urheberschaft aus § 13 UrhG kann in AGBs nicht im Voraus verzichtet werden;
  • in solchen Regelungen soll zugleich ein Verstoß gegen § 4 Nr. 11 UWG liegen, da es sich insoweit um eine Marktverhaltensregelung im Interesse der Verbraucher und sonstiger Marktteilnehmer handelt (obwohl diejenigen die Rechte einräumen Unternehmer sind).

Entscheidungsgründe hier im Volltext. (Download als PDF 403.9 KB)

Entscheidungsbesprechung

Das Hanseatische Oberlandesgericht hat die Büchse der Pandora geöffnet – gleich zweimal:

  1. Es geht davon aus, dass jeglicher AGB-Verstoß, vorliegend im Verhältnis zwischen zwei Unternehmern, der Vorschrift des § 4 Nr. 11 UWG unterliegt. Sollte sich diese Rechtsprechung verfestigen, wird mit einem enormen Anstieg des Abmahnverhaltens und der gerichtlichen Auseinandersetzung über unwirksame AGB-Klauseln zwischen Unternehmern (b2b) zu rechnen sein. Bekanntlich besteht ein Großteil der Vertragsbeziehungen aus Standardverträgen oder zumindest Elementen in den Verträgen, die dem AGB-Recht unterfallen. Bisher stellten diese Klauseln keinen Verstoß gegen § 4 Nr. 11 UWG dar.
  2. Bei der pauschalen Rechteeinräumung nimmt das OLG Hamburg nun eine Inhaltskontrolle über § 31 Abs. 5 vor. Eine effektive Rechteeinräumung über das Buy-Out im Massengeschäft verhindert damit das AGB-Recht.

Inhaltlich ist die Entscheidung abzulehnen. Die Zweckübertragungsregel – ursprünglich eine Auslegungsregel – zwingt gerade zur detaillierten Beschreibung der zu übertragenen Rechte. Sie ist kein gesetzliches Leitbild, an dem die Inhaltskontrolle sich orientieren kann. Vielmehr geht es bei der Auflistung der Rechte in Klauseln, mit denen umfangreiche Rechte eingeräumt werden, um die Bestimmung des Leistungsgegenstandes (§ 307 Abs. 3 BGB). Jedenfalls für den praktisch bedeutsamen Fall der Filmproduktion oder Entwicklung von Computerspielen wird die Entscheidung ohnehin keine Anwendung finden können, da dort die pauschale umfangreiche Einräumung von Nutzungsrechten gerade dem gesetzlichen Leitbild (§ 88 f. UrhG) entspricht.

Gegen die Anwendung des § 4 Nr. 11 UWG spricht, dass es bei der Rechteeinräumung um ein Verhältnis zwischen zwei Unternehmern geht, denn Urheber räumen Rechte zur umfassenden Verwertung in der Regel nicht als Verbraucher, sondern als Unternehmer ein. Deshalb sind auch nicht die Rechte von Verbrauchern betroffen und ein Wettbewerbsverstoß liegt nicht vor.

Die Entscheidung ist auch rechtspolitisch zu kritisieren:

Träfen die Erwägung des Hanseatischen Oberlandesgerichts zu, ist eine Flucht in ausländisches Recht (z. B. UK- oder US-Recht) zu befürchten, um der Anwendung des AGB-Rechts auf die Rechteübertragung in AGBs zu entkommen. In der Regel wird bei Einräumung von Nutzungsrechten zur weltweiten Auswertung der dafür erforderliche Auslandsbezug (Art. 3 Abs.3 ROM I-VO) vorliegen. Damit nehmen auch die Aufgaben für die Gestaltungspraxis der deutschen Rechtsanwälte ab.

Ansprechpartner:
Dr. Claas Oehler

Stand: August 2011