Unberechtigte Abnehmerverwarnung und Rechtsmissbrauch im Markenrecht

Werden Onlinehändler wegen einer vermeintlichen Markenverletzung durch den Verkauf bestimmter Produkte von einem Dritten zu Unrecht abgemahnt, kann der Hersteller dieser Produkte den Dritten auf Unterlassung dieser Abmahnungen in Anspruch nehmen. Die Geltendmachung markenrechtlicher Unterlassungsansprüche kann rechtsmissbräuchlich sein, wenn in der Abmahnung überhöhte Anwaltskosten und Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden (Landgericht Hamburg – Urteil vom 7.1.2011 – Az. 406 O 168-10).

Der Sachverhalt:

Ein von unserer Kanzlei vertretener taiwanesischer Hardwarehersteller, die X Ltd, vertreibt über einen deutschen Generalimporteur u.a. CPU-Kühler, die mit der Bezeichnung B versehen sind. Der Verkauf der Kühler an Endverbraucher erfolgt in erster Linie über verschiedene Onlineshops.

Die N Ltd. ist Inhaberin der deutschen Marke AB, die unter anderem für „Datenverarbeitungsgeräte und Computer“ geschützt ist. Die N Ltd. sah in dem Verkauf der Kühler unserer Mandantin eine Verletzung ihrer Marke und begann daraufhin verschiedene Onlineshops, die diese Kühler verkauften, anwaltlich abzumahnen.

In den Abmahnungen setzte sie jeweils einen Gegenstandswert von 300.000,00 EUR an, wonach sich Anwaltskosten in Höhe von über 4.000,00 EUR ergaben, deren Erstattung von den abgemahnten Shopbetreibern eingefordert wurde. Außerdem sollten sich die Abgemahnten verpflichten, für die bereits verkauften Kühler einen Schadensersatz in Höhe des Doppelten der marktüblichen Lizenzgebühr zu zahlen (die Rechtsprechung erkennt bei Markenverletzungen in der Regel nur eine einfache Lizenzgebühr als Schadensersatz an).

Obwohl nach unserer Auffassung keine Markenverletzung vorlag, nahmen wir auf Wunsch der X Ltd. zunächst Kontakt mit der Gegenseite auf, um insbesondere im Interesse der Abnehmer der X Ltd. eine gütliche Einigung herbei zu führen. Eine Einigung scheiterte jedoch an den völlig überzogenen Forderungen der N Ltd.

Der erste Prozess:

Da die N Ltd. im Rahmen der Verhandlungen weitere Abmahnungen von Abnehmern unserer Mandantin angekündigt hatte, beantragten wir vor dem Landgericht Hamburg den Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit der der N Ltd. weitere Abmahnungen untersagt werden sollten.

Es ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes anerkannt, dass die unberechtigte Abmahnung von Abnehmern eines Herstellers einen rechtswidrigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Herstellers darstellt und daher einen entsprechenden Unterlassungsanspruch des Herstellers gegen den Abmahnenden auslöst.

Das Landgericht Hamburg folgte unserer Argumentation, dass hier keine Markenverletzung vorliegt und erließ antragsgemäß die einstweilige Verfügung.

Der zweite Prozess:

Parallel hatte die N Ltd. ebenfalls vor einer anderen Zivilkammer des Landgerichts Hamburg eine Untersagungsverfügung gegen einen Shopbetreiber, die S GmbH, erwirkt, der die Kühler unserer Mandantin verkauft und auf die vorangegangene Abmahnung nicht reagiert hatte. Das Gericht sah allein nach dem Vorbringen der N Ltd. eine Markenverletzung als gegeben an.

Im Auftrag der S GmbH haben wir gegen diese Verfügung Widerspruch eingelegt und Verweisung der Sache an die Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hamburg beantragt.

Die Kammern für Handelssachen sind Spezialkammern, die es an allen Landgerichten gibt und die auch für Markensachen zuständig sind. Wird ein Rechtsstreit, der in die Zuständigkeit der Kammern für Handelssachen fällt, vor einer „normalen“ Zivilkammer anhängig gemacht, kann der Gegner die Verweisung des Rechtsstreits an die Kammer für Handelssachen beantragen. Das Gericht muss diesem Antrag dann stattgeben.

Vorliegend haben wir diesen Antrag gestellt, damit sich ein anderer Spruchkörper „unvoreingenommen“ mit dem Fall auseinandersetzt, denn die Zivilkammer hatte ja bereits eine Markenverletzung angenommen, freilich ohne unsere Argumente zu kennen.

Den Widerspruch haben wir damit begründet, dass keine Markenverletzung vorliegt und das Vorgehen der N Ltd. außerdem rechtsmissbräuchlich ist, da es ihr nicht in erster Linie um die Unterbindung der angeblichen Markenverletzung durch die S GmbH geht, sondern darum, durch das Vorgehen gegen die Abnehmer Druck auf den Hersteller, die X Ltd. auszuüben, damit dieser bereit ist, einen höheren Vergleichsbetrag zu zahlen; außerdem hielten wir die in der Abmahnung geltend gemachten Gebühren- und Schadensersatzforderungen für weit überzogen, was aus unserer Sicht ebenfalls für einen Rechtsmissbrauch sprach.

Die angerufene Kammer für Handelssachen hat die Frage nach der Markenverletzung dahin stehen lassen und ist unserer Argumentation zum Rechtsmissbrauch gefolgt (Landgericht Hamburg – Urteil vom 7.1.2011 – Az. 406 O 168-10). Den Rechtsmissbrauch begründet das Gericht in erster Linie mit dem überhöhten Gebührenansatz in der Abmahnung und daneben mit der überzogenen Schadensersatzforderung.

Es führt hierzu unter anderem aus:

„Als missbräuchlich ist es (…) zu beurteilen, wenn bei der Rechtsverfolgung sachfremde Motive oder Vorgehen im Vordergrund stehen. Dies ist u.a. dann der Fall, wenn bei der Rechtsverfolgung ein Interesse des Anspruchsinhabers zutage tritt, den Antragsgegner mit möglichst hohen Prozesskosten zu belasten und ihn auf diese Weise von einer Rechtsverteidigung abzuschrecken (…). Vorliegend ist die der aus Anlage E 4 ersichtlichen Abmahnung zugrunde gelegte Kostenforderung so exorbitant erhöht, dass daraus nur der Schluss gezogen werden kann, die Rechtsverfolgung erfolge, wenn nicht schon vorwiegend im Kosteninteresse, so doch deshalb unter Zugrundelegung eines bewusst überhöhten Gegenstandswertes, um den Abgemahnten durch überhöhte Verfahrenskosten von einer Rechtsverteidigung von vornherein abzuhalten. Dieses Vorgehen ist (…) als rechtsmissbräuchlich anzusehen.“

„Die Antragstellerin hat trotz substantiierten Bestreitens einer relevanten aktuellen Nutzung der Klagemarke nicht näher dargelegt, in welchem Umfang diese derzeit genutzt wird. (…) Hinzu kommt, dass die hier in Rede stehende Verletzungshandlung (…) von eher untergeordneter Bedeutung ist. Es handelt sich um die Werbung eines einzelnen Internet-Händlers ohne erkennbar größere Außenwirkung für ein einzelnes Computer-Zubehörteil (…).“

„Vor diesem Hintergrund kann die Antragstellerin nicht ernsthaft davon ausgegangen sein, sie könne das wirtschaftliche Interesse an den mit der Abmahnung geltend gemachten Ansprüchen (auf Unterlassung, Schadensersatz pp.) auch nur annähernd angemessen mit 300.000,– € bemessen. Angemessen ist allenfalls ein Zehntel dieses Betrages.“

 „Die Zugrundelegung einer 1,8-Gebühr für den vorliegenden nicht mehr als durchschnittlich schwierigen Markenrechtsfall sowie der geforderte Schadensersatz in Höhe eines Lizenzsatzes mit einem Aufschlag von 100 % auf den üblichen vertraglichen Lizenzierungssatz runden das Bild einer missbräuchlichen Abmahnung ab.“

Die komplette Entscheidung des Landgerichts Hamburg kann hier eingesehen werden.

Beraterhinweis:

Während die Gerichte bei wettbewerbsrechtlichen Streitigkeiten zunehmend häufiger ein missbräuchliches Vorgehen annehmen, insbesondere bei der Ahndung von geringfügigen Rechtsverfehlungen im E-Commerce, kommt dies im Markenrecht selten vor.

Im Markenrecht kann auch nicht ohne weiteres von einem hohen Streitwert in einer Abmahnung auf ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen des Abmahnenden geschlossen werden. Gerade bei bekannten oder umfänglich genutzten Marken werden von den Gerichten häufig Streitwerte im deutlich sechsstelligen Bereich oder – bei überragend bekannten Marken – auch noch darüber angesetzt.

Die Frage, ab bei einer markenrechtlichen Abmahnung ein rechtsmissbräuchliches Verhalten vorliegt, ist daher stets unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu prüfen. Der vorliegende Fall zeigt aber, dass eine Berufung auf Rechtsmissbrauch im Prozess durchaus Erfolg versprechend sein kann.

Ansprechpartner:
Fabian-Laucken

Stand: Januar 2011