Schriftformnachholungsklausel unwirksam

Obergerichtliches Urteil zu langfristigen Mietverträgen: Das Oberlandesgericht Oldenburg hat mit Urteil vom 14.02.2013 eine häufig verwendete Mietvertragsklausel zur obligatorischen Heilung von Mängeln der gesetzlichen Schriftform (Schriftformnachholungsklausel) für unwirksam erklärt.

 

Zum Hintergrund: Gewerbemietverträge mit Festlaufzeiten von 20 Jahren oder länger sind für die Immobilienpraxis von großer Bedeutung, da Bauträger und Investoren ein vitales Interesse an einer möglichst langfristig planbaren Amortisation ihrer Bau- bzw. Erwerbskosten haben. Aus § 550 Satz 1 BGB folgt ein Schriftformgebot für Mietverträge, die für längere Zeit als ein Jahr geschlossen werden. Wird die Schriftform verletzt, sind auch Langfristmietverträge vorzeitig kündbar. Der BGH hat die formalen Anforderungen an die Wahrung der gesetzlichen Schriftform schrittweise erhöht. Exemplarisch genannt seien hierzu die Entscheidungen zur Verletzung des Schriftformgebotes bei Unterzeichnung eines im Namen einer GbR geschlossenen Mietvertrages ohne hinreichend deutlichen Vertretungszusatz (vgl. NJW 2002, 3389; NJW 2008, 2178). Bei Schriftformmängeln kann der Vertrag vorzeitig gekündigt werden, und zwar selbst dann, wenn die Parteien den Vertrag schon jahrelang durchgeführt haben und die kündigende Partei letztlich nur den Zweck verfolgt, sich von einem lästig gewordenen Vertrag zu lösen

(vgl. BGH NJW 2004, 1103; BGH GE 2006, 1095, 1096; BGH GE 2008, 805, 807; BGH NZM 2007, 730).

Die immobilienrechtliche Praxis begegnete den aus dieser Rechtsprechung folgenden Unwägbarkeiten für Langfristmietverträge mit Schriftformnachholungsklauseln, aufgrund derer sich die Parteien eines Mietvertrages nicht auf den Mangel der gesetzlichen Schriftform berufen dürfen. Klauseln dieser Art wurden von Grundstückseigentümerverbänden empfohlen und finden sich in diversen Muster-Mietverträgen.

Im nunmehr entschiedenen Fall stand folgende Klausel im Streit.

„Den Parteien sind die besonderen gesetzlichen Schriftformerfordernisse bekannt. Sie verpflichten sich gegenseitig, auf jederzeitiges Verlangen einer Partei, alle Handlungen vorzunehmen und Erklärungen abzugeben, die erforderlich sind, um dem gesetzlichen Schriftformerfordernis, insbesondere im Zusammenhang mit dem Abschluss von Nachtrags-(Änderungs- und Ergänzungs) Verträgen Genüge zu tun und zu bis zu diesem Zeitpunkt nicht unter Berufung auf die Nichteinhaltung einer gesetzlichen Schriftform vorzeitig zu kündigen.“

Nachdem das Landgericht Oldenburg eine auf die Verletzung der Schriftform gestützte Kündigung unter Hinweis auf die Nachholungsklausel noch für rechtsmissbräuchlich und unwirksam erachtet hatte, verwarf das Oberlandesgericht Oldenburg die Klausel mit zutreffenden Erwägungen.

Bei § 550 BGB handelt es sich um eine zwingende gesetzliche Formvorschrift, die nicht individualvertraglich umgangen werden kann. Ohne Frage unzulässig wäre eine vertragliche Bestimmung, die § 550 BGB vollständig abbedingt („§ 550 BGB findet keine Anwendung“). Nichts anderes kann deshalb für eine Klausel gelten, mit welcher die gesetzliche Formvorschrift zwar nicht per se für unwirksam erklärt wird, die den Vertragsparteien aber verbietet, sich auf die Formvorschrift zu berufen. Denn das Ergebnis wäre letztlich das Gleiche: Das Formgebot und die vom Gesetzgeber intendierte Rechtsfolge einer vorzeitigen Kündbarkeit bei Formverstößen liefe vollständig ins Leere.

Das Reichsgericht hat schon im „Edelmann-Fall“ (vgl. RGZ 117, 121: Ein vermeintlicher Edelmann hatte einem leitenden Angestellten mündlich die Übertragung einer Immobilie versprochen und sich nicht daran gehalten) klargestellt, dass das Gesetz demjenigen nicht hilft, der anstatt auf das Gesetz auf das Wort eines „Edelmanns“ vertraut. Nichts anderes gilt für das Vertrauen einer Mietvertragspartei auf die Wirksamkeit von Schriftformnachholungsklauseln. Eine auf den Mangel der gesetzlichen Schriftform gestützte Kündigung ist deshalb auch in Ansehung einer Schriftformnachholungsklausel nicht rechtsmissbräuchlich und führt zur vorzeitigen Beendigung des Mietvertrages.

Fazit: Mietvertragliche Schriftformnachholungsklauseln sind unwirksam. Wollen die Vertragspartner sicherstellen, dass ein langfristiger Mietvertrag nicht vorzeitig kündbar ist, sollten sie die strengen Anforderungen an die Wahrung der Schriftform beachten und insbesondere die Parteien und die Vertretungsbefugnis der einzelnen Unterzeichner des Mietvertrages genau bezeichnen. Bei Abschluss von Mietverträgen „vom Reißbrett“ sollten dem Mietvertrag eine möglichst detaillierte Baubeschreibung sowie die Baupläne zum künftigen Mietobjekt beigefügt werden.

Ansprechpartner:
Kay Wagner

Stand: Februar 2013