OLG Düsseldorf zur Pflicht des Auftraggebers, Unterkriterien mitzuteilen

Unterkriterien oder deren Gewichtung, die erst kurz vor Ablauf der Frist zur Angebotsabgabe festgelegt werden und deren Kenntnis die Vorbereitung der Angebote beeinflussen kann, müssen nachträglich bekannt gemacht werden, wobei den Bietern Gelegenheit zur Angebotsabänderung zu geben ist, notfalls unter Verlängerung der Abgabefrist. (OLG Düsseldorf: 23.01.2008, Verg 31/07)

Sachverhalt:

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte über eine sofortige Beschwerde eines Bieters im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens zu entscheiden.

Die Vergabestelle hatte die Lieferung, Installation und Einrichtung eines Telekommunikationssystems für BKA – Liegenschaften europaweit öffentlich ausgeschrieben. Im Leistungsverzeichnis waren zwei Zuschlagskriterien, nämlich Preis und Einhaltung der Leistungsbeschreibung, enthalten. Letzteres war in sechs Hauptgruppen unterteilt, die prozentual gewichtet waren. Zudem enthielt das Leistungsverzeichnis 116 Detailkriterien. Kurz vor Ablauf der Angebotseinreichungsfrist entwickelte die Vergabestelle Untergruppen zu den Hauptgruppen sowie ein Punktebewertungssystem für die Detailkriterien, machte dies jedoch den Bietern nicht bekannt. Dies beanstandete die den Antrag stellende Bieterin, die wegen Nichterreichen von Mindestpunktzahlen in der Wertungsmatrix nicht zum Zuge kommen sollte, vor der Vergabekammer erfolglos. Das OLG Düsseldorfjedoch verpflichtete die Vergabestelle, den Bietern unter Bekanntgabe der endgültigen Zuschlagskriterien mit Bewertungsmatrix die Möglichkeit zur erneuten Einreichung eines Angebots zu geben.

Gründe:

Das OLG Düsseldorf stellt in seiner Begründung klar, wann die Festlegung und Veröffentlichung von Zuschlagskriterien zu erfolgen hat.

Der Verzicht auf die Mitteilung von Zuschlagskriterien in der Bekanntmachung kann nur aus nachvollziehbaren Gründen erfolgen, subjektives Unvermögen oder Zeitnot, in die sich die Vergabestelle selbst gebracht hat, können den Verzicht nicht rechtfertigen.

Eine Festlegung von Wertungskriterien nach Angebotsöffnung ist nach Auffassung des OLG Düsseldorfwegen der damit verbundenen Manipulationsgefahr ohnehin nicht zulässig.

Werden Kriterien oder ihre Gewichtung erst nach Absenden der Verdingungsunterlagen, aber vor Angebotsabgabe festgelegt, so müssen sie drei Voraussetzungen erfüllen: sie dürfen bisherige Kriterien nicht abändern, nicht diskriminieren und nicht für die Erstellung des Angebots relevant sein. Letztere Beschränkung sah das OLG Düsseldorf hier als erfüllt an. Denn für die Relevanz reiche es aus, dass nicht auszuschließen ist, dass die Festlegung und Gewichtung objektiv geeignet ist, den Inhalt der Angebote zu beeinflussen. Es bestehe die Möglichkeit, dass die den Antrag stellende Bieterin sich bei Kenntnis der Gewichtung bei der Angebotserstellung darauf eingestellt und ein besseres Ergebnis erzielt hätte. Der Nachweis über ein konkretes besseres Angebot braucht in einem solchen Fall nicht geführt zu werden.
Um einen Vergaberechtsverstoß bei einer solchen Sachlage zu vermeiden, muss die Vergabestelle 
die spätere Festlegung den Bietern nachträglich bekannt machen und ihnen Gelegenheit zu einer Änderung oder Anpassung ihrer Angebote geben. Sie kann sich hierbei nicht darauf berufen, dass eine Bekanntgabe nicht sinnvoll gewesen ist, weil die Bewertungsmatrix erst kurz vor Fristende zur Angebotsabgabe fertig gestellt wurde und die Bieter schon aus zeitlichen Gründen nicht mehr in der Lage gewesen wären, die Matrix bei Angebotserstellung zu berücksichtigen, denn notfalls ist die Angebotsfrist zu verlängern.

Praxistipp:

Diese Entscheidung des OLG Düsseldorf ist eine in sich konsequente Umsetzung und Weiterführung der EuGH – Rechtsprechung (Urteile vom 12.12.2002, C – 470 / 99, Universale Bau – AG und vom 24.11.2005, C – 331 / 04, ATI EAC u.a.) zu dieser Frage. Sie gibt eine strukturierte Lösung vor, die hoffentlich zur Rechtssicherheit und Einheitlichkeit der Rechtsprechung beitragen wird. Für die Vergabestellen zieht sie jedoch in der Konsequenz einen höheren Aufwand im Vorfeld einer Ausschreibung nach sich. Zudem birgt die Forderung, notfalls sei die Angebotsfrist zu verlängern, Verspätungsrisiken, was die Beschaffer zu übervorsichtigem Handeln veranlassen könnte.

Ansprechpartner:
Rainer Ihde

Stand: Juni 2008