Neue Unsicherheiten im Widerrufsrecht, EU-Konsumentenrechtlinie erfordert Überarbeitung des Fernabsatzrechts

Das EU Parlament hat am 23.06.2011 den Vorschlag der Kommission für eine EU-Verbraucherrichtlinie (AZ.: COM (2008) 614/3) angenommen.

Der Europäische Rat wird der Richtlinie voraussichtlich Ende Juli 2011 zustimmen. Die Richtlinie hat eine Vollharmonisierung der Verbraucherrechte zum Ziel, soll also für ein einheitliches Schutzniveau in allen EU-Mitgliedsstaaten sorgen. Daraus folgt, dass es den Mitgliedsstaaten untersagt ist, von der Richtlinie abweichende (strengere oder mildere) innerstaatliche Vorschriften zu schaffen oder aufrecht zu erhalten.

Die derzeitigen deutschen Regelungen gehen teilweise über den von der Richtlinie vorgesehenen Schutz hinaus. Der deutsche Gesetzgeber muss die geltenden Verbraucherrechte daher innerhalb der Umsetzungsfrist von zwei Jahren auf das Niveau der Richtlinie abbauen. Insbesondere die Regelungen zu Fernabsatzverträgen und zum Widerrufsrecht müssen im Zuge der Umsetzung umfassend geändert werden. Grundsätzlich bleibt es bei einer Widerrufsfrist von 14 Tagen. Selbst ohne ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung soll das Widerrufsrecht gem. Art. 13 der Richtlinie aber nach Ablauf von drei Monaten endgültig enden. Diese Ausschlussfrist beginnt mit der vollständigen Erfüllung der vertraglichen Leistung. Der Lauf der Widerrufsfrist beginnt künftig unabhängig von der vorherigen Erfüllung der Informationspflichten. Bei Online-Dienstleistungen beginnt der Lauf der Widerrufsfrist mit Zugang der Bestellbestätigung, bei der Bestellung von Waren beginnt die Frist mit der Lieferung.

Die von der Politik gefeierte „Button-Lösung“ schlägt sich in einer  Bestimmung nieder, die den Online-Händler verpflichtet, dem Verbraucher vor Vertragsschluss zumindest die wesentlichen Merkmale des Produkts und den Preis mitzuteilen. Es darf bezweifelt werden, dass der vom Gesetzgeber intendierte Zweck einer Bekämpfung von „Abo-Fallen“ mit dieser Regelung erreicht wird. Nach aktueller Rechtslage sind die aufgrund von  „Abo-Fallen“ geschlossenen Abonnementverträge unbegrenzt widerrufbar, weil es an einer ordentlichen Widerrufsbelehrung fehlt. Mit der vorgesehenen dreimonatigen Ausschlussfrist ist daher eine Absenkung des bisherigen Schutzniveaus verbunden. Im Falle eines Widerrufs können dem Verbraucher künftig generell die Rücksendekosten auferlegt werden. Auch dies war bisher anders geregelt.

Fazit: Online-Händler und sonstige Dienstanbieter sollten die Entwicklung im Auge behalten und ihre Bedingungen rechtzeitig anpassen. Es bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber die Umsetzung der Richtlinie zum Anlass nimmt, die bisherige Flickschusterei im Verbraucherschutzrecht zu beenden und die unübersichtlichen und sprachlich schlechten  Regelungen grundlegend zu überarbeiten.

Ansprechpartner:
Dr. Kay Wagner

Stand: Juli 2011