Softwareerstellung als Kauf?

Die neuen Rechtsgrundlagen für Verträge über die Erstellung von Individualsoftware.

Mit Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes am 1. Januar 2002 ändert sich auch der Rechtsrahmen für Verträge über die Erstellung von Individualsoftware.


1. Bisherige Rechtslage

Der Bundesgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, daß ein auf einem Datenträger verkörpertes Programm eine körperliche Sache im Sinne des § 90 BGB ist. Da Computerprogramme notwendig auf einem Informationsträger (Festplatte, Diskette, Papier etc.) verkörpert sein müssen, erfaßt diese Einordnung sämtliche Programme. Computerprogramme werden rechtlich also nicht anders behandelt als beispielsweise Bücher, Möbel oder ein Kraftfahrzeug.

Die Erstellung von Individualsoftware wurde den werkvertraglichen Regelungen unterstellt. Dies erfolgte teilweise über eine direkte Einordnung des zugrundeliegenden Vertragsverhältnisse als Werkvertrag im Sinne der §§ 631 ff. BGB. Die überwiegende Auffassung in Rechtsprechung und Literatur folgte jedoch der Einordnung als Werklieferungsvertrag über die Herstellung einer nicht vertretbaren, individuell auf die Bedürfnisse des Bestellers zugeschnittenen Sache. Die für derartige Verträge maßgebliche Vorschrift des § 651 BGB enthielt bislang einen umfassenden Verweis auf die werkvertraglichen Vorschriften.

2. Neue Rechtslage

Es ist davon auszugehen, daß die Rechtsprechung auch nach Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes an der Einordnung als Werklieferungsvertrag festhalten wird. Der neue Wortlaut des § 651 BGB lautet ab dem 1. Januar 2002:

„Auf einen Vertrag, der die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender beweglicher Sachen zum Gegenstand hat, finden die Vorschriften über den Kauf Anwendung. …
Soweit es sich bei den herzustellenden oder zu erzeugenden beweglichen Sachen um nicht vertretbare Sachen handelt, sind auch die §§ 642, 643, 645, 649 und 650 mit der Maßgabe anzuwenden, daß an die Stelle der Abnahme der nach den §§ 446 und 447 maßgebliche Zeitpunkt tritt.“

Der Grund für diese Neuregelung liegt unter anderem in dem Bestreben des Gesetzgebers, die bisherige recht unübersichtliche Regelung des § 651 BGB, der teilweise ins Kaufrecht und teilweise ins Werkvertragsrecht verwies, zu vereinfachen. Dies ist nach der Begründung des Gesetzesentwurfes aufgrund der weitgehenden Angleichung der Mängelhaftung bei Kauf- und Werkvertrag, wie sie das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz vornimmt, möglich – auch im Kaufrecht gibt es nunmehr einen Nacherfüllungsanspruch des Käufers. Das Werkvertragsrecht soll nach dem Willen des Gesetzgebers im Wesentlichen nur noch die Herstellung von Bauwerken, reine Reparaturarbeiten und die Herstellung nicht-körperlicher Werke wie zum Beispiel die Planungsleistung eines Architekten oder die Erstellung von Gutachten erfassen (BT-Drucksache 14/6040 Seite 268).

Trotz der Angleichung des Gewährleistungsrecht für Kauf- und Werkverträge bringt die Neuregelung des § 651 BGB erhebliche Änderungen für Softwareerstellungsverträge mit sich:

  • Die Abnahme der Software fällt als Zäsur weg. An ihre Stelle tritt die Ablieferung der Software.
  • Der Käufer (bislang Besteller) erhält das Wahlrecht, ob Nacherfüllung durch Nachbesserung oder Neulieferung (§ 439 Abs. 1 BGB) erfolgen soll. Bislang stand das Wahlrecht nach Werkvertragsrecht dem Werkunternehmer (nunmehr Verkäufer) zu. Dieses Wahlrecht ist nunmehr nur durch das Kriterium der Zumutbarkeit für den Verkäufer beschränkt (§ 439 Abs. 3 BGB).
  • Das Recht der Ersatzvornahme des Bestellers fällt weg.
  • Der Käufer kann unter wesentlich leichteren Voraussetzungen vom Vertrag zurücktreten als der Besteller bisher Wandelung des Werkvertrages verlangen konnte – so ist etwa eine Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung nach Kaufrecht nicht erforderlich.

Diese Änderungen sind problematisch. Denn sie entsprechen nicht der üblichen Interessenlage, die einem Vertrag über die Erstellung von Software zugrunde liegt und werden dem Wesen eines solchen Vertrages nicht gerecht. Anders als beim Kauf steht hier nämlich nicht die Ablieferung und Übergabe einer vorgefertigten Sache im Vordergrund, sondern die Erstellung eines regelmäßig neuen Produkts, das speziell auf die Bedürfnisse des Abnehmers zugeschnitten ist und aufgrund seines individuellen Zuschnitts vom Unternehmer nur schwierig anderweitig verwertet werden kann. Insbesondere die Abnahme hat sich für eine solche Konstellation als Zäsur bewährt, die sowohl für den Besteller als auch für den Unternehmer regelmäßig von Vorteil ist, da sie Rechtssicherheit schafft.

3. Gestaltungsmöglichkeiten und -erfordernisse

Ab dem 1. Januar 2002 sollten Softwareerstellungsverträge insbesondere Regelungen über die folgenden Punkte enthalten, um die Auswirkungen der vorgenannten Änderungen zu begrenzen:

  • Vertragliche Vereinbarung eines abnahmeähnlichen Prozedere
  • Abbedingung des Wahlrechts des Bestellers
  • Regelungen, die den Rücktritt erschweren
  • Aufteilung in Projektphasen, die einzeln abgeschlossen werden

Hinweis: Für Verträge, die vor dem 1. Januar 2002 wirksam geschlossen wurden, gelten die geschilderten Änderungen nicht. Eine Ausnahme gilt insoweit nur für Verträge, die als Dauerschuldverhältnisse einzuordnen sind. Hier gelten die geänderten Bestimmungen jedoch erst ab 2003.

Ansprechpartner:
Fabian-Laucken
Stand: Dezember 2001