Handelsvertreterrecht – Oberlandesgericht bestätigt: Handelsvertreterausgleich auch bei Eigenkündigung

Das Kammergericht (Oberlandesgericht Berlin) hat eine Entscheidung des Berliner Landgerichts bestätigt, wonach ein Handelsvertreter auch dann die Zahlung eines Handelsvertreterausgleichs verlangen kann, wenn er den Handelsvertretervertrag wegen der Nichtgewährung eines zuvor in Aussicht gestellten Zuschusses selbst gekündigt hat.

Der Handelsvertreterausgleich ist in § 89 b HGB geregelt. Es handelt sich dabei um eine Goodwill-Zahlung für die Anwerbung des Kundenstamms durch den Handelsvertreter. Die Höhe des Ausgleichs wird anhand der Provisionen des Vertreters im letzten Vertragsjahr ermittelt. Höchstgrenze ist gemäß § 89 b Abs. 2 HGB die durchschnittliche Jahresprovision in den letzten fünf Vertragsjahren. Grundsätzlich ist der Handelsvertreterausgleich im Falle einer Kündigung des Vertrages durch den Handelsvertreter ausgeschlossen, es sei denn, dass es sich um eine alters- oder krankheitsbedingte Kündigung handelt oder dem Handelsvertreter ein „begründeter Anlass“ für die Kündigung zur Seite stand. An das Vorliegen eines (anspruchserhaltenden) begründeten Anlasses sind weniger strenge Anforderungen zu stellen als an einen „wichtigen“ Kündigungsgrund im Sinne von § 89 a HGB. Für einen begründeten Anlass genügt regelmäßig auch ein unverschuldetes sogar rechtmäßiges Verhalten des Unternehmens. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass durch ein Verhalten des Unternehmers eine für den Handelsvertreter nach Treu und Glauben nicht mehr hinnehmbare Situation geschaffen wird. Wegen der erheblichen wirtschaftlichen Bedeutung der Ausgleichsforderung für den Handelsvertreter kommt es oft zum Streit darüber, wann diese „Unzumutbarkeitsschwelle“ erreicht ist.

Das Berliner Landgericht hatte entschieden, dass dem Handelsvertreter ein Festhalten an dem Vertrag dann unzumutbar ist, wenn das Unternehmen die Zahlung eines zuvor verbindlich zugesagten Zuschusses verweigert. Die Berufung der Mineralölgesellschaft gegen diese Entscheidung hat das Kammergericht durch Beschluss zurückgewiesen. Das Kammergericht geht in seiner Begründung noch weiter als zuvor das Landgericht. Nach Ansicht des Kammergerichts kommt es nicht einmal darauf an, ob dem Handelsvertreter ein einklagbarer Anspruch auf Zahlung des streitigen Zuschusses zusteht. Nach Ansicht des Kammergerichts genügt für die Annahme eines anspruchserhaltenden begründeten Anlasses für eine Eigenkündigung, dass das Unternehmen „eine begründete Erwartung“ geweckt hat, der Zuschuss werde vorbehaltlich erheblicher Änderungen der Geschäftsentwicklung gezahlt.

Fazit: Die Durchsetzung von Ausgleichsansprüchen bei Eigenkündigungen aus wirtschaftlichen Gründen dürfte künftig leichter sein. Es genügt, wenn ein Verhalten des Unternehmens oder ein in die Sphäre des Unternehmens fallendes Ereignis dazu führt, dass die Ertragslage wesentlich von der übereinstimmenden Erwartung der Vertragspartner abweicht.

Ansprechpartner:
Dr. Kay Wagner

Stand: September 2011