Gesetzentwurf zum Urheberrecht in der Informationsgesellschaft

Überblick über die wesentlichen Neuerungen im Regierungsentwurf vom 31. Juli 2002.

Einleitung
Die Bundesregierung hat am 31. Juli 2002 den Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft beschlossen. Mit diesem Entwurf sollen die Richtlinie des Europäischen Parlaments vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft sowie weitere internationale Vorgaben aus den Verträgen der World Indellectual Property Organization (WIPO) umgesetzt werden. Der Gesetzesentwurf ist abrufbar unter http://www.bmj.bund.de/images/11476.pdf.

Der Gesetzesentwurf verfolgt das Ziel, das deutsche Urheberrecht der Entwicklung im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie, insbesondere der digitalen Technologie anzupassen. Diese Entwicklung ist u.a. dadurch gekennzeichnet, dass Inhalte jeder Art, damit auch solche die urheberrechtlich geschützt sind, völlig unproblematisch und ohne Qualitätsverlust über ein weltumspannendes Datennetz in kürzester Zeit verbreitet, übermittelt und vervielfältigt werden können. Der Gesetzesentwurf beinhaltet im Wesentlichen drei Änderungskomplexe: Die Begründung eines neuen Verwertungsrechts der öffentlichen Zugänglichmachung, Stärkung der Rechtsposition des ausübenden Künstlers und die Einführung des Schutzes wirksamer technischer Maßnahmen, die dem Schutz eines nach dem Urhebergesetz geschützten Werkes dienen. Diese Änderungen sollen im Folgenden kurz dargestellt werden.

Recht der öffentlichen Zugänglichmachung
Nach den §§ 15, 19a des Regierungsentwurfes (RegE) wird dem Urheber nunmehr das ausschließliche Recht zugesprochen, sein Werk in unkörperlicher Form durch „öffentliche Zugänglichmachung“ öffentlich wiederzugeben. Das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung definiert der Regierungsentwurf in § 19a RegE als das Recht,

„das Werk drahtgebunden oder drahtlos der Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich zu machen, dass es von Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist.“

Nach der Entwurfsbegründung soll mit der Einführung dieses neuen Verwertungsrechts die urheberrechtliche Qualifizierung von On-demand-Diensten eindeutig geklärt werden. Es wird klargestellt, dass das Vorhalten urheberrechtlich geschützter Werke zum Abruf einem ausschließlichen Verwertungsrecht des Urhebers unterfallen soll, wobei die maßgebliche Verwertungshandlung bereits das Zugänglichmachen des Werkes für den Abruf ist. Hiermit soll ein frühzeitiger Schutz des Urhebers sichergestellt werden. Durch diese Klarstellung ändert sich an bisherigen Rechtslage jedoch nichts Wesentliches.

In § 15 Abs. 3 RegE wurde das Merkmal der „Öffentlichkeit“ so definiert, dass hiervon nur diejenigen Personen ausgenommen sind, die mit demjenigen, der das Werk verwertet, „durch persönliche Beziehungen verbunden“ sind. Auch diese Änderung dient in erster Linie der Klarstellung mit Blick auf bestehende File-Sharing-Systeme. So heißt es in der Entwurfsbegründung:

„Beziehungen, die im wesentlichen nur in einer technischen Verbindung zu einer Werknutzung liegen, etwa im Rahmen so genannter File-Sharing-Systeme, werden in der Regel für sich alleine keine persönliche Verbundenheit begründen können.“

Rechtsposition des ausübenden Künstlers
Ausübende Künstler sind diejenigen, die kein eigenständiges Werk schaffen, sondern ein solches vortragen, aufführen oder hierbei künstlerisch mitwirken, zum Beispiel Musiker, Sänger, Schauspieler ebenso Dirigenten und Regisseure. Ausübenden Künstlern standen bisher nur „Einwilligungsrechte“ an ihren Darbietungen zu. Diese durften nicht ohne Einwilligung des ausübenden Künstlers aufgenommen und verbreitet werden. Nach den §§ 77-79 RegE sollen dem ausübenden Künstler nunmehr – wie einem Urheber – ausschließliche Verwertungsrechte zugewiesen werden. Dies gibt ihm die Möglichkeit, Dritten auch einfache dingliche Nutzungsrechte einzuräumen, die insolvenzfest sind. Dies war bislang nur durch die Abtretung des Einwilligungsrechts möglich, was aber der Einräumung eines ausschließlichen Nutzungsrechts gleichkam (zum Unterschied zwischen einfachem und ausschließlichem Nutzungsrecht siehe den Beitrag des Autors „Die Gestaltung von Lizenzverträgen“ unter http://www.onlinelaw.de/kpt/beitraege/Lizenzvertraege-Gestaltung.html ).

In der Entwurfsbegründung wird ausgeführt, dass es gerade im Hinblick auf neuartige Formen der Verwertung von Darbietungen ausübender Künstler im Rahmen multimedialer Produktionen sinnvoll erscheint, auch in Bezug auf Darbietungen die Möglichkeit der Einräumung einfacher Nutzungsrechte als dinglicher Rechte vorzusehen. Darüber hinaus wurde das Persönlichkeitsrecht des ausübenden Künstlers gestärkt. Er kann nach § 74 RegE verlangen, namentlich genannt zu werden.

Schutz wirksamer technischer Maßnahmen
Der Regierungsentwurf führt weiterhin den Schutz so genannter wirksamer technischer Maßnahmen ein (§§ 95a ff. RegE). Hierunter fallen fast alle Kopierschutzarten und Systeme zum Digital Rights Management (DRM). Sofern sie „wirksam“ sind, dürfen sie ohne Zustimmung des Rechtsinhabers nicht umgangen werden, wobei die Entwurfsbegründung klarstellt, dass der Regelung immanent ist,

„dass technische Maßnahmen grundsätzlich auch dann wirksam sein können, wenn ihre Umgehung möglich ist. Andernfalls würde das Umgehungsverbot jeweils mit der Umgehung technischer Maßnahen infolge der dadurch erwiesenen Unwirksamkeit obsolet.“

Neben der Umgehung selbst sind Vorrichtungen oder Dienstleistungen, die die Schutzmechanismen außer Kraft setzen untersagt. Verboten sind insbesondere die Herstellung, die Einfuhr, die Verbreitung, der Verkauf und die Vermietung, die Werbung und der Besitz zum gewerblichen Zweck derartiger Erzeugnisse.
Ein vorsätzlicher oder fahrlässiger Verstoß gegen die vorgenannten Verbote ist strafbar, sofern er nicht ausschließlich zu privaten Zwecken erfolgt. Im Gegenzug ist der Verwender technischer Schutzmaßnahmen verpflichtet, bestimmten Begünstigten unter bestimmten Voraussetzungen die Nutzung und gegebenenfalls die Vervielfältigung der geschützten Werke zu ermöglichen. Hierzu zählen vor allem die Nutzung durch behinderte Menschen, zu Unterrichts- und Forschungszwecken, für Schulfunksendungen und durch die Rechtspflege. Darüber hinaus sind die mit technischen Schutzmaßnahmen versehenen Produkte entsprechend zu kennzeichnen. Das Erstellen einer digitalen Privatkopie – etwa das Brennen von CDs oder das Umwandeln von Musikstücken in MP3-Dateien – muss der Verwender technischer Schutzmaßnahmen jedoch nicht ermöglichen. Zwar ist der Regierungsentwurf der Forderung namentlich der Tönträger- und Spielehersteller, die digitale Kopie zum privaten Gebrauch komplett zu verbieten, nicht nachgekommen, doch kann dieses Recht durch die Verwendung technischer Schutzmaßnahmen, deren Umgehung ja unzulässig ist, im Ergebnis ausgehöhlt werden. Ein „Selbsthilferecht“ des Konsumenten besteht nicht. In Anbetracht der nur geringen Aufklärungs- und Sanktionsmöglichkeiten bleibt allerdings abzuwarten, ob diese Regelung tatsächlich auch zu einer Abnahme digitaler Privatkopien führt.

Zusammenfassung
Auch wenn der Regierungsentwurf einige sinnvolle Klarstellungen und Verbesserungen enthält, beschränkt er sich doch im Ergebnis darauf, die durch die EU-Richtlinie notwendig gewordenen Änderungen auszufüllen. Dem DRM öffnet der Entwurf nun zwar die Tür, indem er die Umgehung technischer Schutzmaßnahmen verbietet, ein Fahrplan von der pauschalen Vergütung – etwa über Geräteabgaben etc. – zur individuellen Abrechnung von Urhebervergütungen, wie er von vielen Herstellern gefordert wurde, ist jedoch nicht vorgesehen. Auch andere streitige Punkte, wie eine Regelung über die Nutzung vorhandener Archive, hat das Bundesjustizministerium auf eine zukünftige Novelle verschoben.
Ansprechpartner:
Fabian-Laucken
Stand: September 2002