Fortbestand einer Softwarelizenz trotz Rückruf des Urhebers

Ein alter Streit unter den Urheberrechtlern: Entfällt die Nutzungsberechtigung eines Lizenznehmers, wenn er diese nicht direkt vom Urheber, sondern „nur“ von dem Inhaber eines ausschließlichen Nutzungsrechts ableitet (so genannte „Enkelrechte“), und der Urheber dann die ausschließlichen Nutzungsrechte vom Lizenzgeber zurückruft? Obwohl diese Frage von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung ist, fehlt eine höchstrichterliche Entscheidung bis heute.

Das Landgericht Köln hatte diese Frage in seiner Entscheidung vom 16.11.2005 (28 O 350/05) zu behandeln. Der Kläger war Programmierer und Gründer einer Software GmbH, die zwischenzeitlich ihren Geschäftsbetrieb eingestellt hatte. Die Software, um deren Nutzung es in dem Rechtsstreit ging, war nach (bestrittenem) Sachvortrag von dem Kläger erstellt worden. Unter der Annahme, dass er Urheber war, erklärte der Kläger gegenüber der GmbH daraufhin einen Rückruf wegen Nichtausübung. Die Software GmbH hatte die streitbezogene Unternehmenssoftware vor dem Rückruf an die Beklagte lizenziert. Der Kläger forderte die Beklagte als Urheber der Software zur Unterlassung der Nutzung auf und vertrat die Auffassung, dass der Heimfall des Tochterrechts auch die Enkelrechte erfasste.

Das LG Köln entschied, dass die Enkelrechte von dem Heimfall nicht beeinträchtigt werden. Es lehnte eine entsprechende Anwendung von § 9 VerlagsG ab und begründete seine Entscheidung mit einer Auslegung von § 33 UrhG.

Die Entscheidung des Gerichts ist gut begründet und gibt Hoffnung zu der Annahme, dass sich diese Entscheidungspraxis fortsetzt. Diese Rechtsfrage ist wirtschaftlich von großer Bedeutung, da ein erheblicher Teil aller Unternehmenssoftware im Rahmen einer Lizenzkette (mit mindestens einer ausschließlichen Nutzungsrechtsübertragung) von den eigentlichen Urhebern abgeleitet wird und damit zu den Enkelrechten im Sinne dieser Entscheidung zählt. Arbeitnehmern als Urhebern eines Computerprogramms ließe sich allerdings nach richtiger Auffassung entgegenhalten, dass durch die europarechtlich vorgegebene Sondervorschrift des § 69b UrhG die Geltendmachung des Heimfalls unbillig wäre, weil die ausschließliche Nutzungsrechtsübertragung im Rahmen des Arbeitsverhältnisses und deren Abgeltung durch den Arbeitslohn keinen Raum für die Geltendmachung eines berechtigten Interesses an der Ausübung des Nutzungsrechts lässt (so auch Hoeren, CR 2005, 773, 775 m.w.N.).

Beratungshinweis: Der Rückruf nach § 41 UrhG lässt sich durch Vereinbarung mit dem Urheber nur zeitlich begrenzt ausschließen. Im Rahmen eines Unterlizenzvertrages gibt es keine Gestaltungsmöglichkeit. Die Beklagte hätte sich im konkreten Fall jedoch bei Kenntnis des Sachverhalts rechtzeitig das Nutzungsrecht durch den Urheber selbst bestätigen lassen und damit das Problem vermeiden können.

Investitionsentscheidungen, die auf Softwarelizenzen basieren, sollten immer durch die Prüfung der Lizenzkette begleitet werden. Immerhin geht es um die Einschätzung des Risikos, das Recht zur Nutzung der Software durch Insolvenz, vertraglichen oder gesetzlichen Rückruf oder Lücken in der Rechtekette vollständig zu verlieren. Stellt sich heraus, dass die urheberrechtlich relevante Programmierung von einer personalistisch strukturierten Gesellschaft oder von bestimmten Personen stammt, kann durch eine vertragliche Vereinbarung mit den Urhebern für mehr Sicherheit gesorgt werden.

Eine Sonderstellung nehmen Computerspiellizenzen ein, bei denen ein möglicher Rückruf wegen Nichtausübung von besonderer Bedeutung ist.  Hier ist davon auszugehen, dass der Rückruf in entsprechender Anwendung von § 90 UrhG ausgeschlossen ist.
Ansprechpartner:
Rainer Ihde