Haftungstatbestände für Geschäftsführer, Gesellschafter und Aufsichtsräte nach der GmbH – Reform

Das MoMiG ist am 1.11.2008 in Kraft getreten. Es hat Auswirkungen für die Praxis auch bei bestehenden Gesellschaften mit beschränkter Haftung und anderen Rechtsformen. Der Beitrag fasst die wichtigsten Änderungen mit Auswirkung auf Haftungstatbestände für Geschäftsführer, Gesellschafter und Aufsichtsräte zusammen.

Einführung

In der öffentlichen Wahrnehmung wird die GmbH – Reform vor allem mit der vereinfachten Gründung der Unternehmergesellschaft in Verbindung gebracht, einer „kleinen“ GmbH, die – zumindest theoretisch – bereits mit einem Euro Stammkapital gegründet werden kann. Tatsächlich bringt das zum 1.11.2008 in Kraft getretene Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) auch zahlreiche gravierende Änderungen für bestehende GmbHs und zum Teil auch für andere Rechtsformen, beispielsweise Aktiengesellschaften oder Kommanditgesellschaften, mit sich.

1. Gesellschafterliste und gutgläubiger Erwerb von Geschäftsanteilen

Die GmbH-Gesellschafterliste erhält eine weitaus größere Bedeutung. Bislang diente die Gesellschafterliste dem Interesse des Rechtsverkehrs an dem aktuellen Gesellschafterstand einer GmbH und sollte durch eine Pflicht zur Einreichung durch die Geschäftsführer (§ 40 Abs. 1 GmbHG) und eine Anzeigepflicht der Notare (Veränderungsanzeige bei Beurkundungen) einen nachvollziehbaren Stand behalten. Die mangelnde Aktualität vieler Gesellschafterlisten hat den Gesetzgeber bereits im Handelsrechtsreformgesetz veranlasst, eine Schadensersatzpflicht für Geschäftsführer im Gesetz aufzunehmen (§ 40 Abs. 2 GmbHG a.F.), die jedoch keine praktische Bedeutung gefunden hat. Obwohl nunmehr die Verpflichtung zur Erstellung einer Gesellschafterliste in den Fällen notariell beurkundeter Übertragungen den Notaren übertragen wurde (§ 40 Abs. 2 GmbHG), bleiben zahlreiche Fälle in der ausschließlichen Verantwortung der Geschäftsführer, beispielsweise bei der Einziehung von Geschäftsanteilen oder bei Gesamtrechtsnachfolgen im Gesellschafterbestand. Auch die Gesamtverantwortung bleibt bei den Gesellschaftern, während die Notare einen Veränderungsnachweis führen und mit dem Inhalt der letzten beim Handelsregister eingereichten Fassung abgleichen.

Formal ändert sich bei der Gesellschafterliste, dass diese künftig alle Geschäftsanteile fortlaufend nummerieren muss (§ 40 Abs. 1 Satz 1 GmbHG)

Der entscheidende Unterschied zu der gesetzlich bereits vorher bestehenden Haftung der Geschäftsführer ist die mögliche Wirkung der Gesellschafterliste bei einem jetzt erstmals möglichen gutgläubigen Erwerb von Geschäftsanteilen vom Nichtberechtigten (§ 16 Abs. 3 GmbHG). Durch die neu eingeführte Vorschrift wird derjenige, der einen Geschäftsanteil im Vertrauen auf die Richtigkeit der Gesellschafterliste erwirbt, geschützt (vergleiche zu beweglichen Sachen §§ 932 ff BGB, zu Grundstücken § 892 BGB). Damit sollen vor allem bei Unternehmenskäufen die zum Teil sehr aufwendigen Prüfungen der Anteilshistorie vereinfacht werden. Umgekehrt bedeutet der gutgläubige Erwerb von Geschäftsanteilen in seiner Konsequenz aber nichts weniger, als den Verlust des Geschäftsanteils bei dem wirklichen Gesellschafter. Da der gutgläubige Erwerb nur auf Grund einer fehlerhaften Gesellschafterliste möglich ist, kommt eine Schadensersatzpflicht des Geschäftsführers, der die fehlerhafte Liste zu verantworten hat, ernstlich in Betracht.

Natürlich kann eine fehlerhafte Gesellschafterliste auch dem berechtigten Gesellschafter zuzurechnen sein, beispielsweise, wenn er die Rückabwicklung einer Anteilsabtretung nicht bei der Gesellschaft anzeigt oder im Fall eines anhängigen Rechtsstreits keinen Widerspruch gegen die Gesellschafterliste betreibt. In einem solchen Fall kann es bereits ab 1.5.2009 (Art. 2 § 3 Abs. 3 MoMiG) zu einem gutgläubigen Erwerb eines Dritten kommen. Der Gesellschafter, der seine fehlende Eintragung in der Gesellschafterliste nicht korrigiert, muss somit künftig mit der Möglichkeit eines Rechtsverlusts rechnen.

Durch die Übergangsregelung in Art. 2 § 3 Abs. 3 MoMiG wird klargestellt, dass als Grundlage für einen gutgläubigen Erwerb auch vor dem Inkrafttreten des MoMiG eingereichte Gesellschafterlisten dienen können.

Handlungsempfehlung: Sowohl die Geschäftsführer, als auch die Gesellschafter einer GmbH sind künftig gut beraten, wenn die Gesellschafterliste bei der nächsten Bestandsveränderung im Gesellschafterkreis, spätestens aber bis 30.4.2009, auf einen überprüften Stand gebracht wird. Auch danach ist sowohl für die Gesellschafter als auch für die Geschäftsführer ein sorgfältiger Umgang mit den Auswirkungen von Veränderungen im Gesellschafterkreis auf die Gesellschafterliste dringend zu empfehlen.

2. Inländische Geschäftsanschrift

Künftig muss die Gesellschaft eine inländische Geschäftsanschrift und deren Änderung zur Eintragung in das Handelsregister anmelden, die weder mit dem Satzungssitz, noch mit dem Verwaltungssitz identisch sein muss. Auch Verwaltungs- und Satzungssitz müssen ausdrücklich nicht mehr übereinstimmen, womit die Möglichkeit eröffnet wird, den Verwaltungssitz in das Ausland zu verlegen. Diese Möglichkeit wurde jetzt durch die Streichung der bisherigen § 4 Abs. 2 GmbHG bzw. § 5 Abs. 2 AktG für GmbH und Aktiengesellschaft geschaffen.

Die Verpflichtung zur Anmeldung einer inländischen Geschäftsanschrift wird aufKaufleute (§ 29 HGB), offene Handelsgesellschaften (§ 31 HGB), Kommanditgesellschaften (§ 106 HGB), Gesellschaften mit beschränkter Haftung (§ 8 Abs. 4 Nr. 1 GmbHG) und Aktiengesellschaften (§ 37 Abs. 3 Nr. 1 AktG) und auf Zweigniederlassungen ausländischer Unternehmen in Deutschland (§§ 13, 13d ff HGB) erstreckt.
Die Bedeutung der inländischen Geschäftsanschrift liegt in ihrer Funktion als Zustelladresse und der Erleichterung einer öffentlichen Zustellung. Diese kann künftig nach § 15a HGB bei einer juristischen Person bereits dann erfolgen, wenn der Zugang einer Willenserklärung nicht unter der im Handelsregister eingetragenen Anschrift möglich ist und keine andere Anschrift bekannt ist.

Was für die Verfolgung von verschwundenen oder beerdigten Gesellschaften von Nutzen ist, kann für alle anderen Gesellschaften von Nachteil sein, wenn sie ihre Geschäftsanschrift im Register nicht aktualisiert haben. Die öffentliche Zustellung durch einen angeblichen Gläubiger wird nur in den seltensten Fällen zur Kenntnis gelangen und kann somit dazu führen, dass Rechte der Unternehmen nicht ausgeübt werden,  verfristen oder verfallen.

Handlungsempfehlung: Jedes Unternehmen sollte seine beim Register gemeldete Geschäftsadresse überprüfen. Mit Ablauf der Übergangsfrist (31.10.2009) trägt ansonsten das Register von Amts wegen ohne Prüfung möglicherweise veraltete Adressen als inländische Geschäftsanschrift und damit als Zustelladresse ein.

3. Haftungstatbestände für Gesellschafter

Die bisherigen Ausschlussgründe für Geschäftsführer werden um Verurteilungen wegen Insolvenzverschleppung, falscher Angaben und unrichtiger Darstellung sowie Verurteilungen auf Grund allgemeiner Straftatbestände mit Unternehmensbezug (§§ 263 bis 264a und §§ 265b bis 266a StGB) erweitert. Zum Geschäftsführer kann also nicht mehr bestellt werden, wer gegen zentrale Bestimmungen des Wirtschaftsstrafrechts verstoßen hat. Das gilt auch bei Verurteilungen wegen vergleichbarer Straftaten im Ausland. Diese im Grundsatz zu begrüßenden Erweiterungen werden nach der Neuregelung jedoch von einem bereits im Gesetzgebungsverfahren umstrittenen Haftungstatbestand für Gesellschafter begleitet. § 6 Abs. 5 GmbHG lautet nun:

„(5) Gesellschafter, die vorsätzlich oder grob fahrlässig einer Person, die nicht Geschäftsführer sein kann, die Führung der Geschäfte überlassen, haften der Gesellschaft solidarisch für den Schaden, der dadurch entsteht, dass diese Person die ihr gegenüber der Gesellschaft bestehenden Obliegenheiten verletzt.“

Die Gesellschafter haften also potentiell für jeden Schaden der Gesellschaft, der auf eine Obliegenheitsverletzung eines vorbestraften oder anderweitig ausgeschlossenen (amtsunfähigen) Geschäftsführers zurückzuführen ist. Veruntreut beispielsweise ein amtsunfähiger Geschäftsführer Gelder der Gesellschaft und führt diese damit in Insolvenz, sind die Gesellschafter möglicherweise verpflichtet, der Gesellschaft diesen Schaden aus ihrem Privatvermögen zu ersetzen. Die Gesellschafter sind in einem derartigen Fall doppelt geschädigt: sie verlieren den Wert ihrer Anteile und müssen einen Schaden ersetzen, der voraussichtlich nur mehr zur Aufstockung der Insolvenzmasse dient. Der einzige Schutz, der den Gesellschaftern bleibt, die unwissentlich einen amtsunfähigen Geschäftsführer bestellt haben, ist ein Verschuldensmaßstab, der nicht den der groben Fahrlässigkeit erreicht. Grobe Fahrlässigkeit liegt in der Regel vor, wenn die verkehrserforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wird (vgl. BHGZ 10, 16; 89, 161). In welchen Fallkonstellationen dies bei der Bestellung eines amtsunfähigen Geschäftsführers anzunehmen ist, wird wohl erst die Rechtsprechung der nächsten Jahre konkretisieren.

Gemäß Art. 2 § 3 Abs. 2 Satz 1 MoMiG betrifft dies nicht vor dem 1.11.2008 bestellte Geschäftsführer, es sei denn, die Verurteilung wird erst nach dem 30.10.2008 rechtskräftig.
Handlungsempfehlung: Es wird sich empfehlen, künftig für jeden zu bestellenden Geschäftsführer einer GmbH ein Führungszeugnis oder bei internationalen Lebensläufen vergleichbare ausländische Erkundigungen einzuholen, wenn die Gesellschafter der GmbH nicht eine persönliche, der Höhe nach unbegrenzte Haftung gegenüber der Gesellschaft eingehen wollen. Außerdem entsteht sofortiger Handlungsbedarf für die Gesellschafter, wenn ein bestellter Geschäftsführer künftig einem einschlägigen Berufsverbot oder einem anderen Ausschlusstatbestand unterliegt.

4. Insolvenzverschleppung durch Gesellschafter und Aufsichtsräte

Die Gesellschafter einer juristischen Person, also beispielsweise einer GmbH, bzw. die Aufsichtsräte einer Aktiengesellschaft werden im Falle der Führungslosigkeit der Gesellschaft berechtigt (§ 15 Abs. 1 Satz 2 InsO) und verpflichtet (§ 15a Abs. 3 InsO), bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung einen Insolvenzantrag zu stellen, es sei denn, der Verpflichtete hat vom Insolvenzgrund oder von der Führungslosigkeit keine Kenntnis.

Aus Gläubigersicht ist die Neuregelung zu begrüßen. Die Gesellschafter der Schuldnerin können sich nicht mehr durch gewerbsmäßige Firmenbestatter der Verantwortung für die Insolvenz ihrer Gesellschaft entziehen. Auch für verantwortungsbewusste Gesellschafter und Aufsichtsräte führt die Neuregelung aber unter Umständen zu unerwarteten Haftungssituationen, wenn die Gesellschaft durch Abberufung oder Rücktritt der Vertretungsorgane vorübergehend führungslos wird.
Handlungsempfehlung: Legt im Verlauf einer Krise einer Gesellschaft die Geschäftsführung oder der Vorstand sein Amt nieder, gilt für Gesellschafter und Aufsichtsräte höchste Aufmerksamkeit. Unter Umständen läuft ab diesem Zeitpunkt die persönliche Pflicht zur unverzüglichen Stellung eines Insolvenzantrags.

Ansprechpartner:

Rainer Ihde

Stand: November 2008