Unverkäuflichkeit von Dieselfahrzeugen? Kompensation durch Rückabwicklung nach Widerruf von Fahrzeugkredit

Es entspricht der materiellen Gerechtigkeit, dass die Schäden infolge der Unverkäuflichkeit von Dieselfahrzeugen dort liquidiert werden, wo sie verursacht worden sind, nämlich bei der Automobilindustrie. Die Möglichkeit hierzu bietet für Verbraucher ein Widerruf des Finanzierungsvertrages mit der jeweiligen Herstellerbank (Volkswagen Bank u.a.) mit der Folge, dass das Fahrzeug gegen Erstattung der Tilgungsleistungen zurückgegeben werden kann.

Die erheblichen Stickstoffdioxid-Grenzwertüberschreitungen in etlichen deutschen Städten und die daraus folgenden Gesundheitsrisiken sind seit Jahren allgemein bekannt. Gleiches gilt für die systematische Überschreitung der gesetzlichen Abgasnormen bei nahezu allen Dieselfahrzeugen, und zwar selbst denen mit Euro 6-Typzulassung. Die EU-Kommission hat Deutschland seit 2008 mehrfach ermahnt und aufgefordert, die Emissionen zu senken. Der Einbau unzulässiger Abschalteinrichtungen in Millionen VW-Fahrzeugen wurde seit Ende 2015 nach und nach aufgedeckt und von VW scheibchenweise zugestanden. Dennoch beschränken sich Fahrzeughersteller und Gesetzgeber bisher auf vorgetäuschten Aktionismus („Dieselgipfel“) und im Übrigen die Beschwichtigung, man werde Fahrverbote schon zu verhindern wissen.

Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.02.2018 zur Zulässigkeit von Fahrverboten für Dieselfahrzeuge führt vielen Fahrzeughaltern nunmehr schlagartig vor Augen, dass diese Versprechen substanzlos sein. Die schwerwiegenden Konsequenzen der jahrelangen Untätigkeit liegen nun auf der Hand:

Die Einhaltung der in den europäischen Luftreinhalteplänen niedergelegten Schadstoffgrenzwerte ist für die Städte zwingend; die Gesundheit der Bevölkerung ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung höher zu gewichten als die Vermögensinteressen der Dieselhalter. Es drohen daher kurzfristig Fahrverbote in vielen Innenstädten und massive Wertverluste für alle Dieselfahrzeuge. Insbesondere ältere Dieselfahrzeuge (Euro 4 oder älter) dürften damit im Inland kaum noch verkäuflich sein, was bei der erzwungenen Neuanschaffung eines normgerechten Fahrzeuges zu erheblichen wirtschaftlichen Verlusten führen wird.

Anders als in den Vereinigten Staaten verweigern die Automobilkonzerne mit fadenscheinigen Begründungen die Rücknahme selbst solcher Fahrzeuge, die mit Betrugssoftware ausgestattet waren. Mittlerweile dürften etwaige Mängelansprüche in vielen Fällen auch verjährt sein, da der Abgasskandal bereits in 2015 öffentlich bekannt wurde und VW wohlweislich keine Verjährungsverzichte erklärt hat.

Verbraucher, die den Fahrzeugerwerb finanziert haben, können diese wirtschaftlichen Schäden möglicherweise durch einem Widerruf des Darlehensvertrages zur Finanzierung des Fahrzeugerwerbs vermeiden.

Hat der Hersteller den Kauf des Fahrzeuges durch einen Kredit der hauseigenen Bank (Volkswagen Bank o.ä.) finanziert, wären Darlehensvertrag und Kaufvertrag als sogenanntes verbundenes Geschäft anzusehen mit der Folge, dass im Falle eines Widerrufs des Darlehens auch der Kaufvertrag rückabzuwickeln ist.

Bei Verbraucherdarlehensverträgen besteht ein gesetzliches Widerrufsrecht, über welches der Darlehensnehmer zu belehren ist. Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage und beginnt mit Vertragsschluss. Der Beginn der Frist zum Widerruf setzt jedoch voraus, dass die dem Verbraucher zur Verfügung gestellte Vertragsurkunde die sogenannten Pflichtangaben enthält, die der Gesetzgeber in Umsetzung der EU-Verbraucherkreditrichtlinie im Interesse des Verbraucherschutzes vorgeschrieben hat. Fehlen diese Pflichtangaben im Vertragstext, beginnt die Widerrufsfrist erst mit Nachholung der Mitteilung dieser Pflichtangaben.

In den Standard-Vertragsbedingungen und insbesondere der Widerrufsbelehrung der Volkswagen Bank und anderer Automobilfinanzier waren die gesetzlichen Vorgaben über längere Zeiträume unzureichend umgesetzt.

Zu den Pflichtangaben gehört unter anderem die Mitteilung des einzuhaltenden Verfahrens bei der Kündigung des Vertrages, die Aufsichtsbehörde des Darlehensgebers, die Art des Darlehens etc. Die in den Standardverträgen hierzu enthaltenden Regelungen sind nach zutreffender Ansicht einer Reihe von Gerichten nicht ausreichend. Dies führt dazu, dass in diesen Fällen die Frist zum Widerruf des Darlehensvertrages nicht begonnen hat und der Vertrag jetzt noch widerrufen werden kann.

Die Folge eines Widerrufs ist, dass der Verbraucher das Fahrzeug zurückgegeben kann. Er erlangt im Gegenzug einen Anspruch auf Rückzahlung seiner Anzahlung und sämtlicher Monatsraten und muss natürlich auch keine weiteren Ratenzahlungen mehr leisten. Einbehalten darf die finanzierende Bank unter Umständen die vereinbarten Zinsen für die Überlassung des Darlehenskapitals bis zum Widerruf sowie einen Wertersatz für die Nutzung des Fahrzeuges. Die jeweiligen Standardverträge der Banken und die zugrundliegenden gesetzlichen Regelungen zur Frage des Wertersatzes wurden in den letzten Jahren mehrfach geändert. Daher ist es unmöglich, eine einheitliche Aussage für alle Fahrzeuge, Hersteller und Erwerbzeitpunkte zu treffen. Insbesondere die Frage des Wertersatzes wird äußerst kontrovers diskutiert und von den Tatgerichten uneinheitlich entschieden. Höchstrichterliche Urteile zu den inhaltlichen Anforderungen an die Pflichtangaben im Rahmen der Pkw-Finanzierung sind noch nicht ergangen.

Fazit:
Dieselhaltern ist zur Vermeidung erheblicher Vermögensschäden zu empfehlen, ihren Finanzierungsvertrag mit Blick auf die Möglichkeit eines Widerrufs überprüfen zu lassen. Dies sollte insbesondere dann geschehen, wenn die finanzierende Bank durch eine nachträgliche Belehrung über die Widerrufsfolgen etc. selbst zu erkennen gibt, dass sie die bisherigen Pflichtangaben für unzureichend hält. Im Falle einer erfolgreichen Nachholung der Pflichtinformationen könnte das Widerrufsrecht möglicherweise nach nur zwei Wochen erlöschen. Auch Halter von Fahrzeugen mit Ottomotoren können sich das Widerrufsrecht zunutze machen. Ein gesetzliches Widerrufsrecht haben jedoch nur Verbraucher. Unternehmer können den Vertrag nur dann widerrufen, wenn ihnen im Vertrag ein Recht zum Widerruf eingeräumt wurde.

Dr. Kay Wagner 
Kay.wagner@ihde.de
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Datum: März 2018