Studie belegt: Shell Clubsmart-Rabattkampagne schädigt Betreiber und Kunden

Was vielen betroffenen Eigentümern und Pächtern angesichts menschenleerer Stationen in den Abendstunden und fallender Nasszahlen bereits bekannt ist, hat eine Studie der Universitäten Hamburg und Hohenheim nach Angaben der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (http://www.faz.net/aktuell/finanzen/meine-finanzen/geld-ausgeben/studie-preisgarantie-von-shell-treibt-den-benzinpreis-13870958.html) jetzt bestätigt: Die aktuelle Rabattkampagne der Shell führt zu höheren Kraftstoffpreisen und mindert dadurch die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens. Die Kampagne täuscht zudem die Verbraucher über den Umfang der tatsächlichen Ersparnis.

Shell wirbt seit Juni 2015 unter dem Slogan „Das Leben ist zu kurz um Benzinpreise zu vergleichen.“ mit einer „Clubsmart-Preisgarantie“, welche allerdings nur Inhabern der Clubsmart-Karte zugute kommt. Clubsmart-Mitglieder zahlen demnach für die Standard-Sorten „Höchstens zwei Cent je Liter mehr als an der billigsten Markentankstelle im Umkreis ihrer Shell Station“.

Auch für Clubsmart-Kunden sind die Abgabepreise also immer noch zwei Cent je Liter höher als an der jeweils günstigsten Bezugsstation. Dies verhielt sich Jahrzehnte lang anders. Die Kunden und Stationäre der A-Gesellschaften konnten bisher darauf vertrauen, dass die Preise der Premiummarken in bestimmten zeitlichen Abständen (im Verhältnis von Shell zu ARAL waren dies 3 Stunden) vollständig angeglichen werden. Diese systematische Herstellung der Preisparität bestätigte noch im Jahr 2011 eine umfangreiche Untersuchung des Bundeskartellamtes. In Abkehr von der jahrzehntelangen Übung des sogenannten „unabgestimmten Parallelverhaltens“ liegen die Preise bei Shell nunmehr regelmäßig über den Preisen des A-Wettbewerbs, und zwar auch für Clubsmart-Kunden. Shell rechtfertigt den Preisunterschied mit den Vorteilen aus der Clubsmart-Mitgliedschaft. Es darf indes bezweifelt werden, dass dies dauerhaft die Kunden an der Abwanderung hindert, da schließlich alle größeren Marken über vergleichbare Bonussysteme verfügen. Shell verfolgt mit der Kampagne ersichtlich zwei Ziele: Zum einen sollen über die Clubsmart-Mitgliedschaften Kundendaten gesammelt werden, die sich auf vielfältige Weise zu Geld machen lassen. Mit der Zementierung des Preisunterschiedes zum A-Wettbewerb wird zudem die Gewinnmage der Shell gesteigert.

Die Kampagne der Shell ist aus einem „bunten Strauß“ von Gründen rechtlich bedenklich: Zum einen verletzt Shell mit der unangekündigten Abkehr vom „Parallelverhalten“ die Rechte der Tankstellenbetreiber und Eigentümer. Das Unternehmen muss bei Ausübung seiner unternehmerischen Entscheidungsfreiheit nach ständiger Rechtsprechung auf die schutzwürdigen Interessen des –von ihm sozial abhängigen- Handelsvertreters Rücksicht nehmen. Dieses Rücksichtnahmegebot wurde durch die überraschende Abkehr vom bisherigen „Parallelverhalten“ verletzt. In Abänderung der jahrzehntelangen Praxis liegen die Preise der Standard-Kraftstoffe bei Shell nicht mehr auf einem Niveau mit den anderen A-Gesellschaften, vor allem also ARAL, ESSO und TOTAL. Die Shell-Preise sind vielmehr dauerhaft höher, insbesondere die allabendlichen Erhöhungen führen regelmäßig zu absurden Preisunterschieden von 10 Cent je Liter oder sogar mehr. Die Folge sind einbrechende Nasszahlen der Betreiber, deren literabhängige Provisionen und Vergütungen infolge der Volumenverluste sinken und die auch nicht an der höheren Gewinnmage partizipieren. Grundsätzlich hält sich die Änderung der Preispolitik zwar im Rahmen der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit der Shell. Das Unternehmen darf die Margensteigerung aber nicht einseitig auf dem Rücken seiner Betreiber erwirtschaften, die auf die Beibehaltung der Preisparität vertrauen durften. Shell muss seinen Vertragspartnern daher einen angemessenen Ausgleich für die Absatzverluste gewähren.

Die Kampagne dürfte im Übrigen auch unter den Gesichtspunkten der Irreführung und der mangelnden Transparenz des Preisnachlasses wettbewerbswidrig sein. Verkaufsförderungsmaßnahmen wie Preisnachlässe, Zugaben oder Geschenke sind gem. § 4 Nr. 4 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) als unlautere geschäftliche Handlung anzusehen, wenn die Bedingungen für ihre Inanspruchnahme nicht „klar und eindeutig“ angegeben werden. Die Shell-Kampagne wird unter anderem auf großflächigen Plakaten an Durchgangsstraßen etc. beworben. Dabei ist für den situationsadäquat aufmerksamen Autofahrer, der das jeweilige Plakat im Vorbeifahren nur flüchtig wahrnehmen kann, nicht erkennbar, dass die „Preisgarantie“ nur für Inhaber einer Clubsmart-Karte gilt. Völlig unklar bleibt auch der sachliche Anwendungsbereich der Preisgarantie, da der Begriff „Markentankstelle“ dem angesprochenen Verkehr unbekannt sein dürfte.

Die Kampagne suggeriert mit dem Slogan „Das Leben ist zu kurz um Benzinpreise zu vergleichen“ zudem eine Mindestpreisgarantie, die tatsächlich nicht gewährt wird. Denn ein Preisvergleich wäre schließlich nur dann entbehrlich, wenn sichergestellt wäre, dass der Kunde im genannten Umkreis immer den günstigsten Preis berechnet bekommt. Aber genau das Gegenteil ist der Fall. Da die anderen Premiumgesellschaften an der Praxis der Preisparität festhalten, ist Shell infolge des Preisaufschlags von 2 Cent gegenüber dem Wettbewerb fast durchgängig die teuerste Marke. Tatsächlich zahlt der Kunde also regelmäßig den Höchstpreis, obwohl ihm mit der Kampagne ein Mindestpreis vorgetäuscht wird. Die nunmehr vorliegende Studie bestätigt diese Gefahr der Irreführung der Verbraucher. Die Wissenschaftler stellten fest, dass Preisgarantien die Verbraucher regelmäßig in die Irre führen. Dies liege daran, dass Kunden angesichts von Preisgarantien gerne nachlässig werden und Unternehmen, die mit Preisgarantien werben, grundsätzlich für günstig halten. In Ansehung der Preisgarantie verzichte der Kunde dann auf eigene Preisvergleiche und bemerke möglicherweise nicht, dass er tatsächlich zu teuer einkauft.

Fazit: Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die aktuelle Rabattkampagne der Shell aus wettbewerbsrechtlichen Gründen gerichtlich untersagt wird. Unabhängig davon sind betroffene Stationsbetreiber und Eigentümer/Verpächter (soweit am Absatz beteiligt) gut beraten, von der Shell einen Ausgleich für die erlittenen Mengenverluste zu verlangen.

Ansprechpartner: Dr. Kay Wagner

Stand: Oktober 2015