Korruptionsvorwürfe gegen Telekom und Volkswagen – Verblüffende Planlosigkeit der Konzerne im Bereich Compliance

Der Umgang mit der jüngsten Korruptionsanklage gegen Mitarbeiter der Telekom (T-Systems) und des Volkswagen-Konzerns offenbart eine weitgehende Unkenntnis der zivil- und strafrechtlichen Haftungsrisiken, die für die Konzerne und ihre Vorstände persönlich aus solchen Fällen erwachsen.

 

1. Verstoß gegen das Trennungsprinzip, § 299 StGB

Gegenstand der Anklage war die Verknüpfung eines Großauftrags für T-Systems mit einem Volumen von etwa EUR 345 Mio. mit einem Sponsoringvertrag zugunsten des Fußballvereins VfL Wolfsburg. Laut Anklage hatten die VW-Mitarbeiter die Vergabe des Auftrags an T-Systems von der Verlängerung des Sponsoringvertrages abhängig gemacht. Sollte sich dies als wahr erweisen, steht die Strafbarkeit der Akteure nach § 299 StGB außer Frage. Demnach wird wegen Bestechlichkeit oder Bestechung im geschäftlichen Verkehr mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer „als Angestellter oder Beauftragter eines geschäftlichen Betriebs im geschäftlichen Verkehr einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er einen anderen bei den Bezug von Waren oder gewerblichen Leistungen im Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge“. Der Tatbestand kodifiziert das inzwischen in nahezu allen westlichen Rechtsordnungen anerkannte antikorruptionsrechtliche Trennungsprinzip, wonach Umsatzgeschäfte nicht mit Zuwendungen oder sonstigen Vorteilen verbunden werden dürfen.

2. Platitüden der 1980er Jahre

Spätestens nach den Korruptionsverfahren im Zusammenhang mit den schwarzen Kassen   der Siemens AG und den horrenden Strafzahlungen von insgesamt ca. EUR 1,2 Mrd. hätte man annehmen können, dass zumindest den Global Playern unter den Deutschen Unternehmen die zentrale Bedeutung eines effektiven Compliance Management Systems (CMS) bewusst geworden ist. Das ungeschickte Agieren von Volkswagen und Telekom anlässlich der jüngsten Korruptionsanklage zeigt indes, dass die neue Rechtslage in vielen Unternehmen immer noch nicht konsequent umgesetzt wurde. Es werden die Verhaltensmuster der 1980er und 1990er Jahre gepflegt, als die Bestechung (das „Schmieren“) unter Privaten noch nicht strafbar war.  Die Vorwürfe werden euphemistisch als „straflose Klimapflege“ bagatellisiert, alle Beteiligten hätten „im guten Glauben gehandelt“ (vgl. Süddeutsche Zeitung vom 15.10.2011). Mit dem Hinweis auf die Einbeziehung der „maßgeblichen Entscheidungsträger“ in die rechtswidrige Praxis wird noch Öl ins Feuer gegossen, weil damit suggeriert wird, dass es sich nicht um einen Einzelfall („Ausreißer“) handelt, sondern das korrupte Verhalten vielmehr „System“ hatte.

3. Den Maßstab setzen FCPA und Bribery Act

Anders als in den USA und Großbritannien gibt es hierzulande kein einheitliches „Antikorruptionsgesetz“, sondern lediglich die Straftatbestände (§ 299 ff. StGB) und einige relativ unbestimmt gefasste spezialgesetzliche Regelungen (vgl. etwa § 91 Abs. 2 AktG) zur ordnungsgemäßen Unternehmensführung. Klare Handlungsanweisungen über den notwendigen Inhalt und die Funktionsweise eines CMS bleibt der deutsche Gesetzgeber bisher schuldig. Daraus folgt indes nicht, dass die strengen amerikanischen oder englischen Antikorruptionsbestimmungen für deutsche Unternehmen unbeachtlich wären. Der zum 1. Juli 2011 in Kraft getretene Bribery Act oder die der FCPA gelten vielmehr auch für solche Unternehmen, die in Großbritannien bzw. den USA Niederlassungen unterhalten. FCPA und Bribery Act sind ferner auch dann anwendbar, wenn das beanstandete Verhalten sich – wenn auch nur mittelbar – in den dortigen Ländern auswirkt. Es kommt also weder auf den Sitz der Hauptverwaltung des Unternehmens noch auf den Tatort der Bestechungshandlungen an. So lagen beispielsweise den Bußgeldzahlungen der Siemens AG an das amerikanische Department of Justice und die SEC unerlaubte Zahlungen an Empfänger in Argentinien, Bangladesch, Nigeria, China et al zugrunde, sämtliche Zahlungsvorgänge fanden also außerhalb der Vereinigten Staaten statt. Gleichwohl verschaffte sich Siemens durch die Zahlungen einen rechtswidrigen Wettbewerbsvorteil gegenüber seinen amerikanischen Mitbewerbern, weshalb der Konzern etwa $ 800 Mio. an die amerikanischen Wettbewerbshüter zahlen musste und damit sogar noch vergleichsweise „günstig“ davongekommen ist.

4. Verschärfungen im fiskalischen Interesse

Die Obama-Administration hat das fiskalische Potential der Wettbewerbsbehörden erkannt und die Antikorruptionsbestimmungen noch verschärft, insbesondere durch die Ausweitung des Schutzes und der finanziellen Anreize für so genannte „whistleblower“. Wer durch eine Anzeige eine korrupte Verhaltensweise in einem Unternehmen aufdeckt, kann demnach eine Belohnung von 10 bis 30 % des Bußgeldes beanspruchen, das von dem rechtswidrig handelnden Unternehmen im Ergebnis des von ihm ausgelösten Verfahrens zu zahlen ist. Hierdurch kam es bereits zu whistleblower-Belohnungen in Höhe von mehr als $ 100 Mio. in einem einzigen Fall. Der damit geschaffene finanzielle Anreiz für „Tippgeber“ führte erwartungsgemäß zu einer Potentierung der Anzeigen korrupter Verhaltensweisen sowie festgesetzter Bußgelder. Allein der US-Finanzminister konnte sich im Jahr 2010 über FCPA-Bußgeldeinnahmen von etwa $ 2 Mrd. freuen.

Beraterhinweis:

Zur Vermeidung bzw. Begrenzung von Bußgeldern in Korruptionsfällen sollten sämtliche Unternehmen mit geschäftlichen Kontakten (Kunden, Niederlassungen) oder auch nur Konkurrenten in den Vereinigten Staaten oder Großbritannien über ein nachhaltiges Compliance Management System verfügen. Das CMS sollte zu Nachweiszwecken dokumentiert, von der Unternehmensführung vorgegeben („tone from the top“) und auch „gelebt“ werden. Zu beachten sind bei dem Aufbau des CMS insbesondere auch die Anforderungen an die Förderung und den Schutz von „whistleblowern“ durch geeignete Maßnahme