Kammergericht: Ist eine Werbeagentur immer zur Markenrecherche verpflichtet? (KG Berlin, Beschluss vom 04.02.2011, 19 U 109/10)

Das Kammergericht in Berlin hat 2011 eine interessante, in der Praxis immer wieder relavante Fallgestaltung entschieden: Es ging um die Frage, inwieweit eine Werbeagentur verpflichtet ist, von sich aus den Auftraggeber auf bestimmte rechtliche Risiken hinzuweisen und gegebenenfalls selber eine Markenrecherche durchzuführen, wenn sie mit der Erstellung einer Werbekampagne oder zum Beispiel dem Entwurf eines bestimmten Logos beauftragt wird (KG Berlin, Beschluss vom 04.02.2011, 19 U 109/10). Quelle: MIR-Newsletter vom 23.09.2011, MIR 2011, Dok. 078, http://medien-internet-und-recht.de

Im konkreten Fall hatte ein Kunde eine kleine Werbeagentur damit beauftragt, nach bestimmten grafischen Vorgaben ein Logo für die Unternehmensdarstellung bzw. Werbung zu entwerfen. Dabei war ein relativ geringer Preis von nur 770,00 EUR vereinbart und gezahlt worden. In der Folge hatte sich herausgestellt, dass das entworfene Logo mit den Markenrechten Dritter kollidierte. Der Kunde, der das Logo im Geschäftsverkehr eingesetzt hatte, wurde deswegen vom betroffenen Markeninhaber abgemahnt und hatte deswegen nicht unerhebliche Kosten, inbesondere Abmahnkosten. Diese Kosten wollte der Kunde von der Werbeagentur als Schadensersatz erstattet verlangen und erhob entsprechende Zahlungsklage vor dem zuständigen Landgericht.

Die Anspruchsgrundlage für derartige Regressforderungen findet sich im Vertragsrecht. Wenn die gelieferte Leistung der Werbeagentur fremde Rechte verletzt, ist sie unter Umständen rechtsmangelhaft, und daraus ergeben sich gegebenenfalls Gewährleistungs- und Schadensersatzansprüche.

Im konkreten Fall wiesen aber sowohl das Landgericht Berlin in der ersten Instanz und daran anschließend das Kammergericht die Klage zurück. Dies geschah mit folgender Argumentation:

  • Grundsätzlich ist eine Werbeagentur nicht verpflichtet, einen Auftraggeber ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass die Konzeption einer Werbekampagne bzw. der Entwurf eines Logos ohne vorgeschaltete Markenrecherche erfolgt. Eine solche Rechtspflicht zur besonderen Aufklärung besteht in der Regel nicht, jedenfalls nicht ohne weiteres. Es gilt der Grundsatz: Jede Vertragspartei ist im Prinzip für ihr Handeln selbst verantwortlich und muss sich deshalb im Zweifel die notwendigen Informationen auf eigene Kosten und eigenes Risiko beschaffen. Es besteht keine allgemeine Rechtspflicht, seinen Vertragspartner über alle Einzelheiten und Umstände aufzuklären (BGH, Urteil vom 11.08.2010, XII ZR 123/09 – Thor Steinar II).
  • Dennoch gilt: Auch wenn sie den Kunden nicht ausdrücklich darauf hinweist, hat eine Werbeagentur bei der Konzipierung einer umfangreicheren Werbekampagne für einen Kunden prinzipiell sicherzustellen, dass keine Rechte Dritter verletzt werden und die rechtlichen Vorschriften eingehalten werden. Dies gehört zu den typischen Aufgaben einer Werbeagentur (vgl. BGH, Urteil vom 25.05.1972 – VII ZR 49/71). Das muss nicht unbedingt ausdrücklich im Vertrag vereinbart werden, sondern ist unter Umständen eine ungeschriebene vertragliche Nebenpflicht. Dazu kann gegebenenfalls auch eine vorgeschaltete Markenrecherche zählen, um von vornherein sicherzugehen, dass keine fremden Markenrechte verletzt werden. Von einer solchen vertraglichen Pflicht kann man im Regelfall ausgehen, wenn eine gewisse angemessene Vergütung gezahlt wird.
  • Wenn allerdings nur relativ geringfügige Vergütung vereinbart ist, und nicht ausdrücklich eine rechtliche Überprüfung bzw. klärende Markenrecherche vereinbart ist, dann kann es sein, dass man eine solche aufwändige und kostenträchtige Absicherung nicht verlangen kann. Das wäre dann mit Blick auf das Verhältnis von Aufwand und Vergütung unzumutbar. In so einem Fall kann die Auslegung des Vertrags gemäß §§ 133, 157 BGB ergeben, dass solche Absicherungsmaßnahmen von der Agentur nicht geschuldet sind.
  • Im vorliegenden Fall war es so: Bei einer Pauschalvergütung von gerade einmal 770,00 EUR kann von einer kleinen Werbeagentur keine vorgeschaltete Markenrecherche verlangt werden. Das wäre unzumutbar und unfair. Zu bedenken ist, dass bei einem solchen vergleichsweise geringfügigen Betrag kaum die Kosten einer professionellen Markenrecherche abgedeckt wären.

Unter diesen Umständen entschied das Kammergericht, wie schon das Landgericht vor ihm in der ersten Instanz, die Klage des Kunden abzuweisen. Die Werbeagentur war im konkret vorliegenden Fall – vor allem wegen der geringfügigen Vergütung – nicht verpflichtet gewesen, eine Markenrecherche vorab durchzuführen, und dass es dann später zu der Markenverletzung kam, konnte ihr nicht angelastet werden. Damit konnte der Kunde keinen Schadensersatz verlangen, und seine Ansprüche wurden zurückgewiesen.

(Anmerkung: Bei diesem Beschluss des Kammergerichts handelt es sich formal um einen sogenannten Hinweisbeschluss im Berufungsverfahren gemäß § 522 Abs. 2 ZPO. Im Anschluss daran hat das Kammergericht dann die Berufung des betroffenen Kunden der Werbeagentur mit Beschluss vom 29.03.2011 rechtskräftig zurückgewiesen.)

Beraterhinweis:

  • Werbeagenturen müssen nicht nur kreativ tätig werden, sondern auch die rechtlichen Risiken der geplanten Werbekampagne im Blick haben.
  • Wenn Logos, Slogans oder Texte entworfen werden, sind insbesondere mögliche Markenrechte, Titelschutzrechte oder Urheberrechte Dritter zu überprüfen. Das kann eine vorgeschaltete professionelle Markenrecherche erforderlich machen.
  • Wenn im Auftrag vertraglich nicht Besonderes hierzu vereinbart ist, können die rechtliche Absicherung und Markenrecherche vorab dennoch ungeschriebene vertragliche Nebenpflichten sein. Dies dürfte sogar der Regelfall sein.
  • Etwas anderes kann eventuell gelten, wenn bei der Vergütung sehr knapp kalkuliert wird. Je nach den Umständen kann es dann insbesondere einer kleinen Werbeagentur nicht zumutbar sein, bei einem bescheidenen Auftragsvolumen und nur relativ geringfügiger Vergütung diese Aspekte mit zu berücksichtigen. Dies kann sich aber immer erst im Nachhinein im Rahmen einer Vertragsauslegung ergeben.
  • Es empfiehlt sich daher, möglichst im Auftrag an eine Werbeagentur klar zu regeln, ob und in welchem Umfang rechtliche Absicherungsmaßnahmen, insbesondere vorgeschaltete Markenrecherchen, geschuldet sind oder nicht.

Dies sind die allgemeinen Grundsätze. Natürlich entscheiden aber immer die Umstände des Einzelfalls.

Ansprechpartner:
Dr. Marcus Dittmann

Stand: November 2011