BGH: Fortbestehen von Unterlizenzen trotz Wegfall der Hauptlizenz (Urteile vom 19.07.2012, M2Trade, Take Five)

Der Bundesgerichtshof hat Ende Juli 2012 zwei Urteile gefällt, mit denen die Rechtssicherheit bei Lizenzketten deutlich erhöht wird. In den beiden Entscheidungen, die am selben Tag fielen, ging es um die Frage, was mit Unterlizenzen passiert, die ein Lizenznehmer an weitere Unternehmen vergeben hat, wenn die Hauptlizenz später wegfällt.

Im ersten Fall ging es um eine Software namens „M2Trade“ (BGH, Urteil vom 19.07.2012, Az. I ZR 70/10 – M2Trade). Das Unternehmen, das die Rechte an dieser Software hat, hatte die Nutzungsrechte exklusiv an einen Lizenznehmer übertragen, der dafür regelmäßige Lizenzgebühren zahlen sollte. Dieser Hauptlizenznehmer gab dann einfache Nutzungsrechte an ein anderes Unternehmen weiter, das seinerseits Lizenzgebühren an den Hauptlizenznehmer zahlen sollte. Irgendwann kam der Hauptlizenznehmer seinen Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem ursprünglichen Lizenzgeber nicht mehr nach, so dass dieser den Hauptlizenzvertrag kündigte. Die Hauptlizenz erlosch damit. Nun stellte sich die Frage, welche Auswirkungen das auf die Unterlizenz haben sollte. Der Rechteinhaber war der Ansicht, dass in dem Augenblick, da er die Hauptlizenz gekündigt hatte, auch die davon abgeleitete Unterlizenz beendet sein musste, mit dem Effekt, dass der Unterlizenznehmer, der die Software weiter nutzte, dies praktisch ohne effektives Nutzungsrecht tat, also letztlich eine Urheberrechtsverletzung beging. Mit diesem Vorwurf verklagte der Rechteinhaber den Unterlizenznehmer unter anderem auf Schadensersatz wegen Urheberrechtsverletzung.

Im zweiten Fall ging es um die Rechte an dem Musikstück „Take Five“ des Jazzmusikers Paul Desmond (BGH, Urteil vom 19.07.2012, Az. I ZR 24/11 – Take Five). Der Rechteinhaber hatte einem Musikverlag die ausschließlichen Rechte für Europa eingeräumt, und der Musikverlag hatte seinerseits die Rechte für Deutschland und Österreich an einen kleineren Verlag weitergegeben, als Unterlizenz. Der Hauptlizenzvertrag war dann nach einiger Zeit aufgehoben und beendet worden. Der ursprüngliche Rechteinhaber war auch in diesem Fall der Ansicht, dass mit dem Ende des Hauptvertrags auch die daraus abgeleiteten Unterlizenzen weggefallen sein mussten. Er verklagte den Unterlizenznehmer deswegen unter anderem daraufhin, dass gerichtlich festgestellt werde, dass dessen Rechte für Deutschland und Österreich weggefallen seien.

Der Bundesgerichtshof hat nun in beiden Fällen entschieden, dass die Unterlizenzen unabhängig vom Schicksal der Hauptlizenz fortbestehen. In beiden Fällen wurden die Klagen der ursprünglichen Rechteinhaber abgewiesen. Diese müssen damit leben, dass die Unterlizenzen, die der jeweilige erste Lizenznehmer an Dritte vergeben hatte, in Kraft bleiben, unabhängig davon, dass der Hauptlizenzvertrag zwischenzeitlich weggefallen ist.

Bereits vor einiger Zeit hatte der Bundesgerichtshof in einer ähnlichen Fallkonstellation entschieden, dass eine Unterlizenz bestehen bleibt, wenn die Hauptlizenz, von der sie abgeleitet ist, wegen Rückrufs beendet wird (Rückruf wegen Nichtausübung gemäß § 41 UrhG; BGH, Urteil vom 26. März 2009, Az. I ZR 153/06 – „Reifen Progressiv“).

Durch die beiden neuen Entscheidungen ist klargestellt, dass die Unterlizenzen im Prinzip auch dann bestehen bleiben, wenn die Hauptlizenz auf andere Weise beendet wird, namentlich durch Kündigung (erster Fall) oder durch Vertragsaufhebung (zweiter Fall).

Das Erlöschen der Hauptlizenz führt also nicht automatisch zum Erlöschen auch der davon abgeleiteten Unterlizenzen.

Für die Unterlizenznehmer führt dies zu einem gesteigerten Vertrauensschutz. Sie können darauf vertrauen, dass ihre Unterlizenzen im Prinzip in jedem Fall bestehen bleiben, unabhängig davon, was mit der Hauptlizenz passiert. Es ist ja so, dass sie in der Regel keinen Einfluss darauf haben, was im Verhältnis zwischen Hauptlizenznehmer und dessen Geschäftspartner, dem ursprünglichen Lizenzgeber, geschieht. Umgekehrt haben sie vielleicht ihrerseits erhebliche Investitionen in die Vermarktung des lizensierten Produkts getätigt, so dass der plötzliche Wegfall der Lizenz sie hart treffen würde.

Was die betroffenen Rechteinhaber angeht, so können sich diese danach der Situation gegenüber sehen, dass die Hauptlizenz erloschen bzw. an sie zurückgefallen ist, nachdem der erste Hauptlizenznehmer z.B. seinen Verpflichtungen nicht mehr nachgekommen ist. Gleichzeitig kann der Unterlizenznehmer, der seine Rechte vom weggefallenen Hauptlizenznehmer ableitet, dennoch weiterhin agieren.

Der Bundesgerichtshof verweist darauf, dass die betroffenen Rechteinhaber ja dadurch einen Ausgleich erhalten können, dass sie sich die Ansprüche auf Lizenzgebühren, die dem ausgeschiedenen Hauptlizenznehmer jeweils aus dessen Lizenzverträgen mit den Unterlizenznehmern zustehen, abtreten lassen können bzw. geflossene Zahlungen nach den Grundsätzen des Bereicherungsrechts an sie herauszugeben sind.

Zu berücksichtigen ist auch der Rechtsgrundsatz des sogenannten Sukzessionsschutzes. Dieses Prinzip ist im Urheberrecht und für gewerbliche Schutzrechte gesetzlich normiert (§ 33 UrhG, § 30 Abs. 5 MarkenG, § 31 Abs. 5 GeschmMG, § 15 Abs. 3 PatG, § 22 Abs. 3 GebrMG). Es besagt, dass ausschließliche und einfache Nutzungsrechte wirksam bleiben, wenn der Inhaber des Rechts wechselt, der das Nutzungsrecht eingeräumt hat. Dies dient der Rechtsicherheit und dem Vertrauen im Rechtsverkehr. Das gleiche kann im Prinzip auch für das Verhältnis von Hauptlizenz und davon abgeleiteten Unterlizenzen gelten.

Im Ergebnis führt die Interessenabwägung in diesen Fällen also dazu, dass Unterlizenzen im Prinzip unabhängig vom Schicksal der Hauptlizenz, von der sie abgeleitet sind, bestehen bleiben. Dabei kommt es nicht darauf an, aus welchen Rechtsgrund die jeweiligen Hauptlizenzen beendet bzw. weggefallen sind.

Die Rechtssicherheit für die Beteiligten in Lizenzketten ist damit gestärkt. Man kann darauf vertrauen, dass eine abgeleitete Unterlizenz auch dann bestehen bleibt, wenn der zwischengeschaltete Hauptlizenznehmer wegfällt. Der ursprüngliche Rechteinhaber kann dem Unterlizenznehmer nicht einfach so die weitere Nutzung und Verwertung untersagen, solange dieser seine Pflichten ordnungsgemäß erfüllt. Den Interessen des ursprüngliche Rechteinhabers wird dadurch Rechnung getragen, dass er gegebenenfalls auf die vom Unterlizenznehmer zu leistenden Zahlungen zugreifen kann.

Dies hat der Bundesgerichtshof durch seine Entscheidungen klargestellt (BGH, Urteil vom 19.07.2012, Az. I ZR 70/10 – M2Trade; BGH, Urteil vom 19.07.2012, Az. I ZR 24/11 – Take Five; zuvor BGH, Urteil vom 26. März 2009, Az. I ZR 153/06 – „Reifen Progressiv“).

Ansprechpartner:
Dr. Marcus Dittmann

Stand: August 2012