Aufrechnungsklausel in AGB – Eine aktuelle Entscheidung des BGH, Beschluss vom 07.04.2011, Az. VII ZR 209/07

Viele vorformulierte Verträge im Unternehmensverkehr enthalten Klauseln dazu, unter welchen Umständen die Vertragspartner ihre wechselseitigen Forderungen gegeneinander aufrechnen können oder nicht.

Die gesetzliche Grundregel ist, dass eine Aufrechnung prinzipiell jederzeit möglich ist, nämlich immer dann, wenn sich auf beiden Seiten zwei wechselseitige Forderungen gegenseitig, gleichartig und durchsetzbar (insbesondere fällig) gegenüberstehen (§ 387 BGB).

In Verträgen kann es aus vielerlei Gründen von Interesse sein, diese jederzeitige freie Aufrechenbarkeit zu beschränken. Denkbar ist nämlich der Fall, dass zum Beispiel eine der im Raum stehenden Forderungen zwischen den Parteien zwar klar ist, die Gegenforderung aber umstritten ist. Würde die Aufrechnung nun zugelassen, entstünde eine rechtliche Unsicherheit über den Fortbestand der doch eigentlich klaren Forderung. Das spielt insbesondere in Fällen eine Rolle, in denen eine der Parteien zur Vorleistung verpflichtet ist, oder in Dauerschuldverhältnissen wie zum Beispiel Mietverträgen, in denen regelmäßig Leistungen ausgetauscht werden und einer der Beteiligten die ihm obliegende Leistung ständig erbringen oder bereithalten muss und dafür regelmäßige Zahlungen des anderen verlangt.

Der Bundesgerichtshof hat sich nun in einer aktuellen Entscheidung mit einer Vertragsklausel beschäftigt, die die freie Aufrechenbarkeit einschränkte. Es handelte sich um eine Klausel aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) eines Architekten. Der betreffende Architekt war mit der Planung und Betreuung des Neubaus eines Einfamilienhauses beauftragt worden. Der Bauherr hatte die vollständige Zahlung des Architektenhonorars verweigert und seinerseits die Aufrechnung mit bestimmten Schadensersatzansprüchen wegen angeblich mangelhafter Architektenleistungen erklärt, welche zu Mängeln im Schallschutz, Rissbildungen und Feuchtigkeit im Keller geführt hätten. Der Architekt hielt dieser Aufrechnung die Klausel aus seinen AGB entgegen, die lautete:


„Eine Aufrechnung gegen den Honoraranspruch ist nur mit einer unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderung zulässig“

Da er sich gegen den Vorwurf mangelhafter Architektenleistung verwahrte und der Bauherr keine abschließende Gerichtsentscheidung über die Mängel und Schäden vorweisen konnte, waren die Voraussetzungen für eine Aufrechnung nach dem Wortlaut dieser Klausel nicht erfüllt.

Der Bundesgerichtshof entschied nun, dass diese Klausel unwirksam sei. Sie verstoße gegen den Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, und zwar in einer Weise, die gegen Treu und Glauben verstoße und eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners darstelle. Denn nach Ansicht des BGH würde diese Klausel den Auftraggeber dazu zwingen, eine mangelhafte oder unfertige Leistung in vollem Umfang zu vergüten, nur weil er noch nicht den Weg durch die Gerichtsinstanzen gegangen wäre. Hierdurch werde das Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung für den Vertragspartner unzumutbar verzerrt.

Damit sei die Klausel gemäß bürgerlich-rechtlichen Regeln zur Inhaltskontrolle von AGB (§ 9 Abs. 1 AGB-Gesetz) unwirksam, mit der Folge, dass die allgemeine gesetzliche Regelung gelte und also eine Aufrechnung sehr wohl wirksam sei.

Es ist bemerkenswert, dass praktisch dieselbe Klausel von den Instanzengerichten bislang nicht beanstandet und für ohne weiteres wirksam gehalten worden war (siehe OLG Hamm, Urteil vom 09.06.2004, Az. 12 U 126/03 = MDR 2005, 30 = BauR 2004, 1643, 1645).

Diese Auffassung ist durch die Entscheidung des übergeordneten Bundesgerichtshofs nun überholt.

Anmerkungen:

Konkret bezog sich der BGH in seiner Entscheidung auf § 9 Abs. 1 AGB-Gesetz. Das AGB-Gesetz ist seit dem 01.01.2002 in das Bürgerliche Gesetzbuch überführt worden, wo die ursprünglich gesonderten Regelungen jetzt in den §§ 305 ff. weitgehend inhaltsgleich fortgelten. Der Fall, den der BGH zu entscheiden hatte, hatte sich so lange hingezogen, dass er noch nach der alten Rechtslage zu entscheiden war. § 9 Abs. 1 AGB-Gesetz findet sich weitgehend inhaltsgleich im jetzigen § 307 Abs. 1 BGB wieder. Damit kann man davon ausgehen, dass die Erwägungen und damit die Entscheidung des BGH auch auf heutige, aktuelle Sachverhalte übertragen werden können.

Der Bundesgerichtshof hat auch zuvor schon über Aufrechnungsklauseln entschieden. Für unwirksam hat er unter anderem auch die folgende Formulierung erachtet, die in einem formularmäßigen Mietvertrag die Aufrechnungsmöglichkeit zum Nachteil des Mieters beschränkte (BGH, Urteil vom 27. 6. 2007 – XII ZR 54/05 = NJW 2007, 3421):

„Der Mieter kann nur mit solchen Zahlungen aus dem Mietverhältnis aufrechnen oder die Zurückbehaltung erklären, die entweder rechtskräftig festgestellt sind oder zu denen die Vermieterin im Einzelfall jeweils ihre Zustimmung erklärt.“

Hier war das Problem gewesen, dass die Zulässigkeit der Aufrechnung durch die Formulierung am Ende praktisch in das Belieben des Vermieters gestellt wurde, der in der Realität natürlich kaum jemals seine Zustimmung erteilen würde.

Fazit:

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs bezieht sich nach dem Sachverhalt zunächst einmal ausdrücklich nur auf Vertragsbedingungen von Architekten und Ingenieuren.

Dennoch wird man davon ausgehen müssen, dass ganz ähnliche Erwägungen auch in anderen Bereichen gelten müssen.

Das gilt insbesondere überall dort, wo Dienstleistungen und Werkleistungen erbracht werden, also Planung, Projektsteuerung und Projektentwicklungen, gegebenenfalls auch im Bereich Softwareentwicklung.

Beraterhinweis:

Aufrechnungsklauseln in Standardverträgen und AGB sollten im Lichte der neuen BGH-Rechtsprechung sorgfältig auf ihre Wirksamkeit überprüft und gegebenenfalls angepasst werden.

  • Wenn in einem solchen Fall Mangelbeseitigungsansprüche oder Schadensersatzansprüche im Raum stehen, sollte dieser Punkt auch bedacht werden, bevor man den Vertragspartner auf Zahlung in Anspruch nimmt.
Ansprechpartner:
Dr. Marcus Dittmann
Stand: Juli 2011