Exxon verkauft sein deutsches Tankstellennetz Handlungsmöglichkeiten für Verwalter

Die Exxon Mobil Corporation, das (gemessen am Börsenwert) weltweit größte Mineralölunternehmen, setzt nunmehr offenbar in die Tat um, was sich bereits seit Jahren abzeichnete. Exxon verkauft nach jüngsten Pressemeldungen seine deutsche Tochter, die ESSO Deutschland GmbH, die hierzulande ca. 1.100 Tankstellen betreibt.

Exxon verkauft bereits seit Jahren schrittweise seine nationalen Tankstellennetze, da die Gewinnmargen im Tankstellengeschäft (downstream) nach Ansicht der Unternehmensführung zu gering sind. Es war daher nur eine Frage der Zeit, wann Exxon auch seine deutschen Tankstellen auf den Markt wirft.

Exxon (ESSO) gehört neben BP (ARAL), Total, Shell und Conoco Phillips (JET) zu den fünf Oligopolisten, die den deutschen Tankstellenmarkt beherrschen und deren Preisfestsetzungsverhalten (so genanntes Pricing) in der jüngsten Zeit mehrfach Gegenstand ausführlicher Untersuchungen des Bundeskartellamtes sowie politischer Kontroversen war. Das Pricing ist nicht abgestimmt, vielmehr ändern stets die Oligopolführer BP oder Shell die Preise ändern und ziehen die anderen Unternehmen anschließend in bestimmten zeitlichen Abständen nach. Dieses Vorgehen ist als unabgestimmtes Parallelverhalten zwar zulässig, hemmt durch die systemimmanente Preisnivellierung  gleichwohl den Wettbewerb.

Bisher steht nicht fest, welcher Konzern die ESSO-Tankstellen übernimmt. Der Verkauf an einen der vier anderen Oligopolisten würde vom Kartellamt nicht genehmigt werden. Wesentlich wahrscheinlicher ist daher der Verkauf an ein osteuropäisches Unternehmen wie etwa die russische Lukoil oder die polnische ORLEN.

Man wird sehen, ob der Erwerber frischen Wind in den deutschen Tankstellenmarkt bringt, oder sich nahtlos in das Oligopol einreiht und das bisherige Pricing der ESSO fortsetzt. Die Auswirkungen auf die Kraftstoffpreise wären dann gering.

Ganz erheblich werden jedenfalls die Auswirkungen für die Tankstellenbetreiber und die Grundstückseigentümer der nicht der ESSO gehörenden Stationen sein. Den Vertragspartnern der ESSO stünden kurzfristig eine neue Unternehmenskultur, andere Ansprechpartner und ungewohnte Entscheidungsstrukturen gegenüber. Eine ähnliche Situation gab es in 2002/2003 bei der Umflaggung von ca. 500 Tankstellen von ARAL/BP auf die polnische ORLEN. Damals ging der Transformationsprozess mit erheblichen Umsatzverlusten und entsprechenden wirtschaftlichen Problemen einher.
Bei ESSO stellt sich zusätzlich die Frage nach der Zukunft der Eigentümerstationen. Die Eigentümer sind oft über 25 Jahre oder länger an ESSO gebunden, die Bindung ist in der Regel durch Tankstellendienstbarkeiten grundbuchlich besichert. Die Nutzungsvergütung ist umsatzabhängig. Ist die Marke oder Preispolitik des Übernehmers weniger attraktiv und sinken deshalb die Kraftstoffabsätze, verlieren die Grundstückseigentümer im gleichen Umfang Nutzungsvergütungen, die Handelsvertreter verlieren Provisionen.

Eigentümer wie Handelsvertreter von ESSO-Tankstellen sollten deshalb zügig Vorkehrungen treffen, um die  wirtschaftlichen Folgen des Netzverkaufs abzumildern bzw. das ESSO-Tankstellennetz unter Mitnahme des Ausgleichanspruchs  zu verlassen.

Ansprechpartner:
Dr. Kay Wagner

Stand: Juli 2012