Thomas Philipps – „Marktleiter“ können nach Vertragsende wie Handelsvertreter Ausgleich gem. § 89b HGB beanspruchen

Das Oberlandesgericht Oldenburg (nachstehend nur OLG) hat im Oktober 2015 unsere Ansicht bestätigt, wonach ehemalige „Marktleiter“ der Firma Thomas Philipps einen Ausgleich gem. § 89b HGB (analog) verlangen können.

Worum geht es?

Thomas Philipps betreibt in Deutschland nach eigenen Angaben über 250 Sonderpostenmärkte, die einerseits mit wechselnden Sonderposten, aber auch mit einem stets verfügbaren Kernsortiment von Waren aus den Produktbereichen Lebensmittel, Getränke, Süßwaren, Wasch- und Reinigungsmittel, Kosmetika und sonstigen Gebrauchsgütern für Haus und Garten beliefert werden. Betriebsleiter vor Ort sind selbständig tätige „Marktleiter“, die –anders als z.B. Franchisenehmer oder Vertragshändler – nicht als Eigenhändler fungieren, sondern die von Thomas Philipps gelieferten Waren zu vorgeschriebenen Preisen für Rechnung von Thomas Philipps verkaufen und hierfür eine umsatzabhängige Provision erhalten. Die Läden werden unter der Marke Thomas Philipps und mit der markentypischen Geschäftsausstattung betrieben, der jeweilige Marktleiter tritt also nicht erkennbar in eigenem Namen auf. Obwohl es sich bei den Marktleitern deshalb um Handelsvertreter handeln dürfte, werden die Vertriebsmittler von Thomas Philipps als „Kommissionäre“ bezeichnet.

Das OLG hat die Marktleiterin als Kommissionärin i.S.v. § 383 bzw. Kommissionsagentin (das sind Kommissionäre auf Dauer) qualifiziert und nicht als Handelsvertreterin, wie wir dies für richtig gehalten hätten. Der wesentliche und einzig relevante Unterschied des Kommissionsagenten zum Handelsvertreter besteht darin, dass der Handelsvertreter –wie schon der Begriff nahelegt- in (offener) Vertretung handelt, wohingegen der Kommissionär in mittelbarer (verdeckter) Stellvertretung tätig ist, gegenüber dem Dritten also im eigenen Namen auftritt.

Die rechtliche Einordnung kann indes dahinstehen, da nach der zutreffenden Ansicht des OLG die Interessenlage und das Schutzbedürfnis von Kommissionagent und Handelsvertreter weitestgehend identisch sind, weshalb der ehemaligen Marktleiterin in analoger Anwendung von § 89 b Abs. 1 HGB ein Ausgleich zuerkannt wurde.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) kann § 89 b HGB auf andere im Vertrieb tätige Personen als Handelsvertreter (z.B. Vertragshändler) analog angewendet werden (vgl. BGH NJW 2015, 945 m.w.N.). Voraussetzung ist, dass diese Person (1.) wirtschaftlich in erheblichem Umfang Aufgaben vergleichbar mit denen des Handelsvertreters zu erfüllen hat und sie (2.) nach Vertragsende verpflichtet ist, den Kundenstamm zu übertragen. Im beurteilten Fall entschied das OLG, dass die Klägerin im Sinne der ersten Analogievoraussetzung in die Absatzorganisation von Thomas Philipps eingebunden war, da sie wie eine Handelsvertreterin

• fremde Waren für fremde Rechnung zur vorgegebenen Preisen verkaufte,

• hierfür eine absatzabhängige Provision erhielt, und

• ihre gesamte Arbeitskraft zur Förderung des Warenabsatzes einsetzen musste und dabei bestimmte Vorgaben der Beklagten einzuhalten hatte (Absatzförderungspflicht).

Die Überlassung des Kundenstamms schuldete die Marktleiterin aufgrund einer gesetzlichen Bestimmung (§ 384 Abs. 2 HGB). Demnach hat der Kommissionär dem Kommittenten über das Geschäft Rechenschaft abzulegen und ihm dasjenige herauszugeben, was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt hat.

Die Höhe des Ausgleichsanspruchs berechnet das OLG auf Grundlage der im letzten Vertragsjahr von der Marktleiterin mit Stammkunden erzielten Provision, und zwar einschließlich aller Zusatzprovisionen, da auch diese in unmittelbarem Zusammenhang mit dem werbenden Auftritt des Marktes gegenüber den Kunden stehen. Das OLG nahm im Rahmen der Billigkeitsprüfung allerdings einige Abzüge vor (z.B. für die genannte „Sogwirkung“ der Marke), über deren Berechtigung und Angemessenheit in der Höhe man durchaus streiten kann.

Die Firma Thomas Philipps wehrt sich gegen das Präjudiz durch die obergerichtliche Entscheidung und hat gegen das Urteil aus Oldenburg Revision zum BGH eingelegt.

Fazit: Kommissionagenten sind vom Kommittenten in gleichem Maße sozial abhängig und schutzbedürftig wie Handelsvertreter vom Prinzipal. Sie können daher nach Vertragende in entsprechender Anwendung von § 89 b HGB einen Ausgleich für den Wegfall der zukünftigen Provisionen und provisionsähnlichen Vergütungsbestandteile auf Basis der letzten Jahresprovision verlangen.

Kontaktperson: Dr. Kay Wagner

Datum: März 2016