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Landgericht Berlin zur Auslegung von Kundenschutzvereinbarungen

„Kunde“ im Sinne einer Kundenschutzvereinbarung ist in Ermangelung einer abweichenden Definition oder sonstiger Umstände regelmäßig nur ein Unternehmen, das mit der Partei, die sich auf den Kundenschutz berufen will, in einer vertraglichen Beziehung steht. Haben sich die Parteien darauf verständigt, dass zunächst nur eine von ihnen die Verhandlungen mit einem potentiellen Kunden führen soll, endet der Kundenschutz spätestens in dem Moment, in dem die Bemühungen des Verhandlungsführers als endgültig gescheitert anzusehen sind.

Das hat das Landgericht Berlin in einem aktuellen Urteil (LG Berlin, Urt. v. 27.02.2008 – Az. 105 O 84/07), das wir zugunsten einer Mandantin erwirkt haben, entschieden.

Sachverhalt:

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Mandantin, ein Berliner IT-Dienstleister, war als Subunternehmer für die Beklagte tätig und stellte dieser auf Grundlage von Einzelverträgen drei Mitarbeiter zur Verfügung, die von der Beklagten bei einem Unternehmen in Hannover, der N-GmbH, eingesetzt wurden.

Die Parteien hatten zuvor einen Rahmenvertrag und eine „Loyalitätsvereinbarung“ zum Mitarbeiter- und Kundenschutz abgeschlossen. In der Kundenschutzvereinbarung hieß es unter anderem: „Die Vertragsparteien verpflichten sich im Sinne des Kundenschutzes insbesondere, keine Geschäftskontakte zu den Kunden des anderen Vertragspartners (…) aufzunehmen (und) weder direkt noch indirekt für Kunden des anderen Vertragspartners (…) tätig zu werden.“ Für den Fall des Verstoßes gegen die Kundenschutzvereinbarung war eine Vertragsstrafe in Höhe von 25.000,00 EUR vereinbart.

 Anfang 2007 informierte die N-GmbH die für sie tätigen Dienstleister darüber, dass sie ab dem 1. April 2007 nur noch über die C-AG als Generalunternehmer externe Leistungen beziehen werde und stellte den bisher für sie tätigen Unternehmen anheim, zukünftig mit der C-AG Verträge über einen weiteren Einsatz abzuschließen. Unsere Mandantin und die Beklagte verständigten sich darauf, dass die Beklagte zunächst versuchen sollte, einen Vertrag über den weiteren Einsatz der drei Mitarbeiter unserer Mandantin bei der N-GmbH mit der C-AG abzuschließen. Die bestehenden Verträge für die Mitarbeiter liefen zum 31. März 2007 aus.

Aufgrund der aus Sicht unserer Mandantin euphemistisch ausgedrückt etwas ungeschickten Verhandlungsstrategie des Geschäftsführers der Beklagten kam es jedoch bis zum 26. März 2007 nicht zu einem Vertragsabschluss. Darauf entschied sich unsere Mandantin am 27. März 2007 selbst einzugreifen und schloss direkt einen Vertrag mit der C-AG über den weiteren Einsatz der drei Mitarbeiter bei der N-GmbH ab, um deren Weiterbeschäftigung ab dem 1. April 2007 abzusichern.

Für die Tätigkeit der Mitarbeiter für die Beklagte im März 2007 wurde dieser der vereinbarte Betrag in Höhe von ca. 40.000,00 EUR in Rechnung gestellt. Die Beklagte zahlte jedoch nicht. Sie war der Auffassung, dass unsere Mandantin gegen die Loyalitätsvereinbarung verstoßen habe und daher die Vertragsstrafe und außerdem entgangenen Gewinn als Schadensersatz schulde. Mit diesen Ansprüchen wollte die Beklagte aufrechnen. Nachdem alle Bemühungen eine außergerichtliche Lösung herbeizuführen gescheitert waren, erhoben wir im Juli 2007 Zahlungsklage für die Mandantin.

Der Prozess:

Da der Zahlungsanspruch der Mandantin für sich genommen unstreitig war hatten wir diesen zunächst im Wege eines so genannten Urkundsprozesses geltend gemacht, um möglichst schnell einen vollstreckbaren Titel und eine entsprechende Sicherheit für die Mandantin zu erreichen, da die Mandantin zwischenzeitlich Zweifel an der Zahlungsfähigkeit der Beklagten hatte, die sich letztlich jedoch als unbegründet heraus stellten.

Beim Urkundsprozess handelt es sich um eine besondere Verfahrensart, bei der nur eingeschränkte Beweismittel (vornehmlich Schriftstücke) zulässig sind. Das Gericht prüft dann nur die Umstände, die durch die zugelassenen Beweismittel belegt werden können oder eben unstreitig sind. Der Vorteil dieses Verfahrens liegt darin, dass zumeist sehr schnell entschieden wird und aus dem der Klage stattgebenden Urteil unmittelbar und ohne Sicherheitsleistung vollstreckt werden kann. Das Urteil kann jedoch in der Regel von der unterlegenen Partei in einem Nachverfahren überprüft werden, das dann wieder wie ein „normaler“ Prozess abläuft und in dessen Rahmen das im Urkundsprozess ergangene Urteil auch wieder aufgehoben werden kann, wenn sich eine andere Sachlage ergibt. In diesem Fall hat der Kläger dem Beklagten auch sämtliche Schäden zu ersetzen, die aus einer zwischenzeitlich durchgeführten Vollstreckung entstanden sind.

In der mündlichen Verhandlung am 5. Dezember 2007 vor dem Landgericht Berlin verpflichtete sich die Beklagte dann jedoch, eine entsprechende Sicherheit durch Hinterlegung der eingeklagten Summe zu leisten. Daher wurde vom Urkundsprozess Abstand genommen, um nun möglichst zeitnah eine endgültige Entscheidung und entsprechende Rechtssicherheit zu erreichen.

Die Beklagte berief sich im Prozess gegenüber der Klageforderung auf die erwähnte Aufrechung mit dem vermeintlichen Vertragsstrafe- und Schadensersatzanspruch und machte einen weitergehenden Betrag in Höhe von ca. 11.500,00 EUR im Wege der sog. Widerklage geltend.

Hiergegen wurde von uns in erster Linie vorgebracht, dass unsere Mandantin schon gar nicht gegen die Loyalitätsvereinbarung verstoßen habe, da die C-AG nicht als Kunde der Beklagten anzusehen sei. Im Übrigen könne sich die Beklagte auch deswegen nicht auf die Kundenschutzklausel berufen, da die Versuche der Beklagten einen Vertragsschluss mit der C-AG herbeizuführen endgültig gescheitert waren. Schließlich hatte unsere Mandantin auch schon vor ihrer Tätigkeit für die Beklagte selbst geschäftliche Kontakte zur N-GmbH und insbesondere auch zur C-AG.

Die Entscheidung:

In seinem Urteil vom 27. März 2008 ist das Landgericht Berlin unserer Argumentation gefolgt. Es hat die Gegenansprüche der Beklagten abgelehnt und daher der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen.

„Kunde“ im Sinne der Kundenschutzvereinbarung sei nach dem übereinstimmenden Verständnis der Parteien nur ein Unternehmen, das mit der Partei, die sich auf den Kundenschutz berufen will, in einer vertraglichen Beziehung steht. Dies sei bei der C-AG eindeutig nicht der Fall, da die Beklagte mit dieser erst noch Verträge hätte abschließen müssen. Die C-AG sei daher auch nicht als lediglich verlängerter Arm der N-GmbH anzusehen, die sicherlich ein Kunde der Beklagten war.

Die Beklagte könne sich auch deswegen nicht auf die Loyalitätsvereinbarung berufen, da es ihr bis zum 26. März 2007 nicht gelungen war, mit der C-AG Verträge für einen Einsatz der Mitarbeiter unserer Mandantin ab dem 1. April 2007 abzuschließen (die bestehenden Verträge mit der N-GmbH liefen ja zum 31. März 2007 aus). Die Bemühungen der Beklagten zum Vertragsabschluss seien als gescheitert anzusehen. Daher habe es unserer Mandantin frei gestanden, ihrerseits direkt mit der C-AG einen Vertrag abzuschließen.

Die Entscheidung ist rechtskräftig, da die Beklagte innerhalb der ihr zustehenden Frist keine Berufung eingelegt hat.

Beraterhinweis:

Kundenschutzvereinbarungen sind regelmäßig ein wichtiger und sensibler Bestandteil des Vertragsverhältnisses zwischen kooperierenden Unternehmen, insbesondere wenn in einem Haupt- und Unterauftragnehmerverhältnis dem Subunternehmer erst der direkte Kontakt zu den Kunden des Hauptauftragnehmers vermittelt wird. Aus diesem Grund erkennt auch die Rechtsprechung in solchen Konstellationen regelmäßig ein berechtigtes Interesse für solche Klauseln und damit deren Wirksamkeit an, obwohl hierin eine Wettbewerbsbeschränkung und damit eigentlich ein Verstoß gegen § 1 GWB liegt.

Im Interesse beider Partner empfiehlt es sich jedoch, in solchen Vereinbarungen möglichst präzise zu regeln, welche Unternehmen unter die Kundenschutzvereinbarung fallen und für welche Vertragskonstellationen die Vereinbarung gelten soll. So können Rechtsstreitigkeiten regelmäßig im Vorfeld vermieden werden.

Ansprechpartner:
Fabian-Laucken

Stand: April 2008